Budgeteinhaltung oder Produktivitätssteigerung? 

Andreas Kemmner

Kennen Sie dies auch? Sie wollen Kosten einsparen, haben aber kein Budget mehr? Dann wehren Sie sich, denn Ihr Unternehmen begeht dann eine der sieben Todsünden des Managements!

Natürlich gibt es die fatale Situation, dass einem die Liquidität fehlt, um notwendige Rationalisierungsmaßnahmen in der Wertschöpfungskette durchzuführen. Doch den meisten Unternehmen mangelt es nicht in diesem Maße an Liquidität. Wird hier nicht eher ein Controllingprinzip der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts gedankenlos umgesetzt? Es wird gerade so getan, als ob die Liquidität im Unternehmen jedes Jahr nur einmal ausgegeben werden kann und durch das Ausgeben des Budgets kein neuer Cashflow generiert wird.

Dieses mechanisch betriebene Budgetdenken führt dazu, dass es an Anreizen zu internem Unternehmertum fehlt. „Die Kosten monatlich um 50.000€ zu senken, wäre schon schön, aber die dafür erforderlichen 1 OO.OOO€ Budget habe ich nicht oder habe sie schon für etwas anderes verplant:‘ Auf Aussagen dieser Art stoßen Unternehmensberater regelmäßig!

Der Cash-Flow, die 600.000€ vermeidbare Kosten im Jahr zu kompensieren, ist vorhanden, aber für 1 OO.OOO€ Investition fehlt das Geld. Klassisches budgetgesteuertes Controlling ist gelebtes Changemanagement, um aus Gestaltern Verwalter zu machen, die nicht mehr unternehmerisch, sondern nur noch „behördlich“ denken.

In klassisch budgetgesteuerten Unternehmen sitzt jeder Manager auf seinem Geld und versteht es nicht als Seed Capital, das er für Rationalisierungs- und Optimierungsmaßnahmen einsetzen kann und das bei erfolgreicher Investition wieder an ihn zurückfließt.

Wir erwarten von unseren Managern zwar, dass sie die Produktivität kontinuierlich steigern – ihr Budget also möglichst gewinnbringend ausgeben, aber wir belohnen sie für den Ertrag, den unsere Unternehmen dadurch zusätzlich erwirtschaften nicht in der richtigen Weise. Wenn ich als Unternehmer 100.000€ einsetze und daraus nach einem Jahr 120.000€ generiere und das für die nächsten fünf Jahre immer wieder, dann erhalte ich für mein Engagement und das eingegangene Risiko über die fünf Jahre einen Return on Investment von 500.000€. Als angestellter Unternehmer sollte ich daran partizipieren, indem in mein Budget und konsequenterweise auch in mein Einkommen ein bestimmter Prozentsatz der Rendite jährlich zurückfließt. Viele Rationalisierungsinvestitionen wirken dabei noch viel drastischer, da die Amortisationszeit weit unter einem Jahr liegt. Wenn ein Manager mit seinem Budget unternehmerisch geschickt agiert, dann kann er für das Unternehmen viele produktivitäts- und damit ertragssteigernde Maßnahmen anstoßen und hat am Ende des Geschäftsjahres durch seine „Erfolqsbeteiligung“ mehr als sein Ausgangsbudget zur Verfügung.

Schon längst gibt es Konzepte, wie z. B. „Beyond Budgeting“, um mit der Budgetierung flexibler umzugehen und viele kleinere, stärker unternehmerisch geführte Unternehmen beweisen ebenfalls, dass Budgetflexibilität möglich ist. Jahresbudgets in unserer dynamischen Welt sind Controlling-Dinos, die bald aussterben werden; entweder, weil wir uns von ihnen trennen, oder weil unsere Unternehmen mit ihnen untergehen.


Andreas Kemmner

Autor | Author

Prof. Dr. Kemmner ist Co-CEO der Abels & Kemmner Group und hat in 30 Jahren Beratertätigkeit in Supply Chain Management und Sanierung weit über 200 nationale und internationale Projekte durchgeführt und war über 10 Jahre der einzige öffentlich bestellte Sachverständige für die Wirtschaftlichkeitsbeurteilung von Industriebetrieben in Deutschland.

2012 wurde er von der WHZ zum Honorarprofessor für Logistik und Supply Chain Management bestellt.

Die Ergebnisse seiner Projekte wurden bereits mehrfach ausgezeichnet.

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