Die laufende Justierung der eigenen Dispositionsparameter ist eine wiederkehrende Aufgabe, die von vielen sträflich vernachlässigt wird. Dabei könnten durch die richtige Einstellung der Parameter noch Kosten von deutlicher Größenordnung eingespart werden. Externe Dienstleister helfen beim Fein-Tuning des Dispositionsmanagements.
Beim Thema Steuern zweifelt heute kein Unternehmer mehr daran, ob der Einsatz eines externen Spezialisten für strategische Maßnahmen sinnvoll ist. Gleiches sollte für das Bestandsmanagement gelten, tut es aber häufig nicht, und zwar aus einem klaren und einfachen Grund: Eine intensive Kommunikation der Disposition mit Vertrieb, Versand und Einkauf sowie den Kunden und insbesondere den Lieferanten ist notwendig. Deshalb muss das tägliche Bestandsmanagement auch zeit- und ortsnah in das Unternehmen eingebunden sein. Allerdings ist die Aufgabe, das Bestandsmanagement mit optimierten Parametern zu versehen, in vielen Fällen extern besser aufgehoben (Bild 1). Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Fein-Tuning braucht detaillierte Sachkenntnis
Insbesondere die genaue Berechnung der Dispositionsparameter erfordert eine höchst detaillierte Sachkenntnis, welche nur allzu selten im Unternehmen vorhanden ist. So ist z.B. die artikelspezifische Optimierung der Prognoseparameter sowie eventueller Saisonfaktoren eine sehr komplexe Aufgabe, auf die nicht jeder Disponent angemessen vorbereitet ist.
Wiederholte Aktualisierung sicherstellen
Zudem hat erfahrungsgemäß kaum ein Disponent im Tagesgeschäft die Zeit, artikelspezifische Optimierungen für 20.000 und mehr Artikel wiederholt durchzuführen. Die Folge ist, dass die bei Systemeinführung eingestellte Grundparametrisierung nur sehr selten aktualisiert wird. Oft benutzt man sogar für alle Artikel nur ein einziges Verfahren sowie dieselbe Parametereinstellung und nimmt keine artikelspezifische Anpassung vor.
Software häufig noch umzureichend
Selbst wenn Zeit und Know-how zur Durchführung der erforderlichen Berechnungen und permanenten Pflege im System nicht das Problem sein sollten, ein Problem haben viele Unternehmen dann immer noch: Die meisten Warenwirtschafts-/PPS-Systeme können die Aufgaben nicht hinreichend erfüllen. Und das, obwohl moderne Warenwirtschaftssysteme, die mit hohen Investitionen verbunden sind, unternehmensweite Funktionalitäten abdecken. So ist es keine Ausnahme, dass solche Systeme zwar noch eine ABC-Analyse (Umsatzrelevanz) durchführen können, aber an der Forderung nach einer XYZ-Analyse (Verbrauchsverhalten) scheitern. Es kommt auch vor, dass automatische Optimierungsläufe für den Bestand angeboten werden, allerdings wird dabei schon einmal die Lieferbereitschaft vernachlässigt. Auch die Planungs- bzw. Prognoseverfahren der meisten Systeme setzen z.B. eine normal verteilte historische Zeitreihe des Verbrauchsverhaltens der Artikel voraus. Diese Voraussetzung trifft jedoch nur in 5 Prozent aller beobachteten Verteilungen zu, wie eine Studie der RWTH Aachen ergeben hat. Hiernach konnten sogar 25 Prozent der Verteilungen überhaupt keinem gängigen Verteilungstyp zugeordnet werden.
Selbst wenn ein Verteilungstyp zutreffend ist, dessen Ermittlung unterbleibt in den meisten Unternehmen auf Grund der hohen Rechenintensität ohnehin – mit der Folge, dass die Planungsergebnisse oft lediglich suboptimal sind. Und in den meisten Systemen werden zwar Felder für Saisonfaktoren angeboten, diese sind jedoch manuell zu pflegen. Auch hier stellt sich die Frage, wer diese Faktoren ermitteln kann – und zwar rechnerisch und nicht nach Gefühl! -und wer dies für mehrere tausend Artikel tun und einpflegen soll?
Artikel müssen regelmäßig überprüft werden
Das Dispositionsproblem verschärft sich auch dadurch, dass bestimmte Entscheidungen in festzulegenden Intervallen immer wieder getroffen werden müssen. So sollte regelmäßig überprüft werden, ob die eingestellten Planung- und Dispositionsverfahren für die einzelnen Artikel noch verwenden werden können. Ein Artikel, der seinen Lebenszyklus als CZ-Artikel (geringe Umsatzrelevanz, sporadischer Bedarf) beginnt, entwickelt sich evtl. weiter zu einem BY- oder gar AX-Artikel (mittlere bis hohe Umsatzrelevanz, gleichmäßiger Bedarf), fällt wieder ab, lebt wieder auf und wird irgendwann wieder zu einem CZ-Artikel, wenn sein Lebenszyklus sich dem Ende zuneigt.
AX-Artikel müssen jedoch anders geplant und disponiert werden als CZ-Artikel. Daher sollte die aktuelle Positionierung aller Artikel permanent über die Artikelstrukturierung ermittelt werden. In der Folge sind die Planungs- und Dispositionsverfahren entsprechend anzupassen.
Der Praxisfall beim Handel mit Autoteilen
Die Firma Herth + Buss GmbH & Co. KG in Heusenstamm hat das zunächst Undenkbare gewagt und Bestandteile des Dispositionsmanagements an einen externen Dienstleister vergeben. Herth + Buss vertreibt Ersatzteile im Bereich Automobil und Autoelektrik. Das Produktspektrum umfasst insgesamt ca. 16.000 Teile. Ein wichtiges Wettbewerbsmerkmal der kundenseitigen Auftragsabwicklung ist, dass Ware, die der Kunde bis 16 Uhr bestellt, per Nachtexpress ausgeliefert wird und am nächsten Tag beim Kunden verfügbar ist. Dies erfordert eine hohe Lieferbereitschaft des gesamten Lagersortiments.
Für die Optimierung der Kernparameter des Bestandsmanagements wurde nun die Herzogenrather Unternehmensberatung Abels & Kemmner hinzugezogen. Die Berater führten zuerst eine Analyse der relevanten Daten über einen Zeitraum von fast zwei Jahren jeweils zum Quartal durch. Daraufhin wurden die Parameter optimiert und an das System übergeben. Gemeinsam mit dem Unternehmen wurde das Artikelspektrum in Artikelklassen eingeteilt und für die einzelnen Klassen bestmögliche Grade der Lieferbereitschaft simulativ ermittelt und definiert. Bei dieser Zielformulierung galt es, die Bestände zu minimieren und sämtliche Parameter jeweils zum Quartal neu zu berechnen und an das Hostsystem zurückzuspielen.
Innerhalb von sechs Monaten konnte die Bestandsreichweite um ca. 25 Prozent gesenkt und in der Folge gehalten werden. Der Grad der Lieferbereitschaft stieg im gleichen Zeitraum auf 99 Prozent an und führte zu einem Umsatzwachstum von ca. 10 Prozent.
Das Procedere mit externen Beratern
Die Zusammenarbeit mit externen Partnern erfolgt in zwei Schritten (Bild 2). Im ersten Schritt wird untersucht und festgelegt, wie und unter welchen Rahmenbedingungen die Optimierung des Verfahrens und der Parameter durchgeführt werden kann. Im zweiten Schritt erfolgt die in Intervallen zu wiederholende Analyse, die letztlich mit dem Einspielen der Ergebnisse in das jeweilige Warenwirtschaftssystem abgeschlossen wird.
Zunächst werden die relevanten Prozessdaten der Auftragsabwicklung und die im WWS-System verfügbaren Planungsverfahren ermittelt. Die Datenqualität ist zu prüfen, da die Erfahrung gezeigt hat, dass es in diesem Bereich massive Defizite gibt, die im Zuge einer Analyse die Ergebnisse stark verzerren können. Besonders wichtig sind umfassende Gespräche über die Dateninterpretation. Was wird z.B. in einem Feld “Wunschliefertermin” tatsächlich eingetragen? Ist dies das vom System eingetragene Tagesdatum oder der vom Kunden tatsächlich gewünschte Liefertermin? Wie ist der “bestätigte Liefertermin” zu interpretieren? Ist er fix oder wird er, wie bei einem Unternehmen festgestellt, im wöchentlichen Net-Change angepasst und fortgeschrieben, was natürlich einen traumhaften Ist-Lieferbereitschaftsgrad unter Berücksichtigung von bestätigten Lieferterminen beschert?
Weiter ist zu prüfen, wie weit die verfügbaren historischen Bewegungsdaten zurückreichen und in welcher Form sie bereitgestellt werden können, z.B. auf Belegebene oder auf Zeitbasis, evtl. kumuliert über Monate. Abschließend muss der Datentransfer definiert werden. Dies beinhaltet, welche Datei- und Datensatzformate verwendet werden, über welches Medium und in welchen Intervallen der Transfer stattfindet.
Man hat schließlich auch einen Steuerberater
So wie der Steuerberater die Raffinessen des Steuerrechts oft besser beherrscht als der Unternehmer, so führt auch die Optimierung der Dispositionsparameter durch externe Dienstleister zu einer wesentlichen Effizienzsteigerung der vorhandenen Warenwirtschaft. Abels & Kemmner ermittelte bei 34 Beratungskunden, dass 43 Prozent der untersuchten Unternehmen ein Einsparpotential zwischen 20 und 25 Prozent hatten, 32 Prozent konnten sogar mehr als 25 Prozent einsparen. Es zeigt sich also, dass das Outsourcing der Dispositionsoptimierung in vielen Fällen wirtschaftlich sinnvoll ist.