Interview

Dr. Götz-Andreas Kemmner, Geschäftsführender Gesellschafter der Abels & Kemmner GmbH, zu den Erfolgsfaktoren eines Downsizing Managements.

Creditreform: Downsizing wird in globalisierten Märkten inzwischen als Motor für fast jede Fusion benutzt. Was versteckt sich hinter diesem Verfahren?

Dr. Kemmner: Im Grunde geht es beim Downsizing darum, die Größe zu reduzieren und all das abzustoßen, was im Unternehmen mehr Kosten verursacht, als es zu Erträgen des Unternehmens beiträgt. Dabei geht es typischerweise darum, ganze Wertschöpfungsstränge abzustoßen, nicht nur bestimmte Funktionalitäten. Ganz konkret heißt das, man muss sich fragen, welche Marktsegmente, Vertriebswege, Produkte und Produktionsprozesse sind wirtschaftlich noch durchführbar? Welche betrieblichen Funktionen, die für uns nicht von strategischer Bedeutung sind, können wir eventuell am Markt günstiger erhalten, als sie durch Eigenleistung zu erbringen? Und letztlich, und da kommen wir zu dem sensiblen Bereich, geht es darum, dann auch die betrieblichen Ressourcen, die nicht benötigt werden, abzubauen, also um die vier M: Mensch, Maschine, Material und Moneten.

Creditreform: Wo sehen Sie die Knackpunkte dieser Methode?

Dr. Kemmner: Beim Downsizing muss man sich genau seine Kosten anschauen. Allerdings, so unsere Erfahrung, fehlt sehr oft die saubere Kosteninformation zur Ermittlung der Deckungsbeiträge. Aber nur so lässt sich erkennen, wo man Geld gewinnt und wo man welches verliert – der klassische Knackpunkt bei der inhaltlichen Struktur. Aber auch bei der Umsetzung gibt es noch einen wichtigen Punkt. Ein möglicherweise notwendiger Personalabbau oder eine Personalverlagerung ist immer mit einer psychologischen Barriere verbunden. Keiner macht das gerne. Und für Unternehmer, zumal mittelständische, ist das auch immer eine Frage des Auftritts nach außen.

Creditreform: Wie ist das Argument von Kritikern zu bewerten, die gängige Sanierungsmethode Downsizing wirke kurzfristig wie Manchester-Kapitalismus?

Dr. Kemmner: Downsizing ist eine Frage unternehmerischer Verantwortung. Wenn ich ein Unternehmen langfristig erfolgreich führen will, dann muss ich im Zweifelsfall auch bereit sein, an der einen oder anderen Stelle einen Arbeitsplatz abzubauen, um die Summe der Arbeitsplätze zu sichern. Allerdings sollte ein Arbeitsplatzabbau so sozialverträglich wie möglich durchgeführt werden.

Creditreform: Stimmt es, dass Downsizing im Zeitalter des Shareholder Value aus der Mode zu kommen scheint?

Dr. Kemmner: Ich denke nicht, dass es aus der Mode kommt. Es rutscht sicherlich aus der Öffentlichkeit stärker heraus, als das vielleicht in der Vergangenheit der Fall war. Ein Problem des Shareholder Value ist ja gerade, dass man den Unternehmenswert sehr stark am Aktienkurs festmacht. Und der Aktienkurs ist viel stärker durch Psychologie als durch Fakten bestimmt. Wenn ich interne Maßnahmen treffe, die dafür sorgen, dass mein Unternehmen rentabler wird, dann wirkt das viel weniger, als wenn ich nach außen entsprechend große Zukunftsprojekte postuliere. Der Neue Markt bietet dafür exzellente Beispiele. Andererseits ist es heute in, sich Märkte hinzuzukaufen, sprich zu fusionieren. Und hinter jeder Fusion steckt auch eine Art von Downsizing, beispielsweise dadurch bedingt, dass ich bestimmte Kapazitäten doppelt habe, die ich nur einmal brauche …

Creditreform: …also Stichwort Synergieeffekte?

Dr. Kemmner: Richtig, die berühmten Synergieeffekte, die sich im Nachhinein allerdings nicht selten als eher marginal herausstellen.

Creditreform: Beim Downsizing geht es darum, sich auf ertragsstarke Kundensegmente, Vertriebskanäle, Produktgruppen und Produktions- und Beschaffungsprozesse zu fokussieren. Was unterscheidet dieses Verfahren von der üblichen Konzentration auf die Kernkompetenzen?

Dr. Kemmner: Der erste Schritt im Downsizing ist, ganze Funktionsketten freizusetzen. Von der Beschaffung über die Produktion bis zum Vertrieb lassen sich hier entsprechende Ressourcen ausmachen. Beim zweiten Schritt, dem Outsourcen, geht es dagegen darum, auf bestimmte Segmente zu verzichten. Wobei meistens die Kosten durch den ersten Schritt, das Aufgeben von Wertschöpfungssträngen, schneller zu drücken sind, als durch den zweiten Schritt des Outsourcing.

Creditreform: Lässt sich bei der Anwendung des Downsizing bezüglich der Effizienz ein Ranking unternehmensrelevanter Bereiche ausmachen?

Dr. Kemmner: Eigentlich nicht. Beim Downsizing geht es zunächst einmal darum, ganze Wertschöpfungsstränge – man könnte es auch provozierend sagen Wertvernichtungsstränge – zu beseitigen. Insofern ist die gesamte Kette im Unternehmen betroffen. Allerdings lassen sich typischerweise in der Produktion die meisten Kosten einsparen, teilweise auch im Vertrieb.

Creditreform: Downsizing-Prozesse sind mit starken Belastungen der Mitarbeiter und des Managements verbunden. Es stehen dabei schließlich auch Jobs auf dem Prüfstand. Wie lassen sich diese Belastungen abfedern?

Dr. Kemmner: Es gibt zwei typische Belastungen, die hier eine große Rolle spielen. Zum einen die sozialen Belastungen und zum anderen die psychischen Belastungen. Bei Freisetzungen geht es vor allem um eine soziale Abfederung. Und da sollte typischerweise nicht nur die reine Rechtsposition eine Rolle spielen. Letzten Endes ist das natürlich auch ein Zeichen für die verbleibenden Mitarbeiter, dass man die Kollegen nicht einfach fallen lässt. Das halte ich für sehr wichtig. Die psychologische Belastung hängt sehr stark vom Einzelnen ab, von dessen psychischer Konstitution und der familiären Situation.

Creditreform: Viele Manager weigern sich nur allzu gerne, einmal erfolgreich beschrittene Wege mit dem notwendigen Abstand und ohne Ressort-Egoismus zu reflektieren. Liegt hier ein Kernproblem bei der Anwendung von Downsizing-Prozessen?

Dr. Kemmner: Ich würde das nicht als ein Kernproblem von Downsizing-Prozessen betrachten. Ich denke das ist ein generelles Kernproblem – und in gewisser Weise verständlich aus der Sicht der Manager. Wenn ich vom Organigramm des Unternehmens mit dem Fokus für einen bestimmten Bereich versehen werde, wenn ich eventuell auch noch ergebnisorientiert bezahlt werde, dann ist die Gefahr einer fokussierten Sicht, die den Gesamtaspekt aus den Augen verliert, sehr groß. Ganzheitliches Denken verlangt viel Überzeugungsarbeit. Hier liegt sicher ein Kernproblem, das aber nicht spezifisch für das Downsizing ist.

Creditreform: Wie kann ein Unternehmen dieses Problem lösen?

Dr. Kemmner: Widerstand kommt in einem Downsizing-Prozeß erfahrungsgemäß erst nach der Analysephase auf. In dieser Situation kann man nur sachorientiert argumentieren. Also die Fakten deutlich auf den Tisch legen, die Handlungsalternativen diskutieren, durch die Faktenlage überzeugen. Wenn man Entscheidungen getroffen hat, dann muss meiner Erfahrung nach schnell und konsequent gehandelt werden, damit sich anschließend nicht doch noch Widerstände aufbauen.

Creditreform: Das Beispiel der geplatzten Fusion von Dresdner und Deutscher Bank zeigt, dass die unsachgemäße Handhabung des Downsizing zu Imageverlusten führen kann. Was wurde hier falsch gemacht?

Dr. Kemmner: Das grundsätzliche Konzept, das der geplanten Fusion zugrunde lag, war sicher richtig. Meines Erachtens wurden allerdings zwei Dinge falsch gemacht. Zum einen war die externe Kommunikation schlecht, hat die Kunden in eine Zweiklassengesellschaft eingeordnet. Zum anderen teilte man auch die Mitarbeiter in zwei Klassen ein, als es darum ging, die Bereiche zusammenzufügen. Man hat nicht versucht, leistungsorientiert vorzugehen, sondern die Leistung an der Zugehörigkeit zur richtigen Firma festgemacht. Und das führte natürlich intern zu Widerständen. Das hätte man vielleicht noch beheben können, wenn man die entscheidenden Maßnahmen schnell und zügig getroffen und so einem Widerstand keine Zeit zum Aufbau gegeben hätte. Aber man hat dann einfach zu lange gebraucht.

Creditreform: Kann fehlerhaftes Downsizing-Managernent ein Unternehmen ins Aus führen?

Dr. Kemmner: Ja, denn es geht ja um existenzielle Fragen, wenn ich auf bestimmte Kunden- oder Produktsegmente verzichte. Meiner Erfahrung nach sind aber mehr Insolvenzen durch verpasstes als durch verpatztes Downsizing verursacht worden.

Creditreform: Wie hat Ihrer Erfahrung nach ein optimales Downsizing-Managernent auszusehen?

Dr. Kemmner: Downsizing kann nicht nach Schema F gefahren werden. Es gibt natürlich bestimmte Schritte, die man durchziehen muss, aber sie markieren eigentlich nicht die Elle, an der sich ein gutes Downsizing-Management messen lässt. Entscheidend ist, dass es rechtzeitig, sorgfaltig und konsequent passiert.

Creditreform: Muss das Downsizing-Management auch im täglichen Business beherrscht werden oder geht es hier eher um eine mittel- oder langfristige Aufgabe?

Dr. Kemmner: Ja und nein. Im Grunde genommen ist es eine Tätigkeit, die phasenweise notwendig wird. Downsizing fällt nicht ständig an. Allerdings sollte ich permanent auf eine ausreichende Transparenz und die richtige Berechnung meiner Kostenstrukturen achten.

Creditreform: Wie müssen die internen und externen Kommunikationsprozesse gestaltet sein, um zum Erfolg zu kommen?

Dr. Kemmner: Wenn es um den Abbau von Arbeitsplätzen geht, dann muss man bei der internen Kommunikation die Fakten auf den Tisch legen und die Konsequenzen verdeutlichen, die passieren, wenn man diese Entscheidung nicht trifft. Und man muss versuchen, eine möglichst sozialverträgliche Lösung zu entwickeln. Mehr kann man im Grunde genommen nicht tun. Bei der externen Kommunikation ist sicher das Thema Abspaltung und Verkauf etwas unkritischer als der Abbau von Arbeitsplätzen. GenereIl muss man immer den Zweck verdeutlichen und die Zukunftsorientierung deutlich machen.

Creditreform: Eignet sich Downsizing nur für Sanierungsfälle und Fusionen oder ist es auch eine strategische Option für gesunde Unternehmen?

Dr. Kemmner: Meistens treffen wir auf das Thema, wenn es um Insolvenz geht. Aber im Grunde sollte Downsizing eigentlich so etwas wie eine regelmäßige Entschlackungskur für gesunde Unternehmen sein, weil es dann immer nur um begrenzte Maßnahmen geht. De facto ist es allerdings oft eine Notoperation an Schwerkranken und die Konsequenzen entsprechend dramatisch.

Das Gespräch führte Klaus-Werner Ernst

Wertschöpfungsketten straffen

Die mittelständische Abels & Kemmner Gesellschaft für Unternehmensberatung mbH in Herzogenrath wurde 1993 von den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaftlern Dr. Helmut Abels und Dr. Götz-Andreas Kemmner gegründet. Schwerpunkt des Beratungsunternehmens ist die Straffung von Wertschöpfungsketten (Supply-Chain-Optimierung) bei Serien-und Variantenfertigern und bei Großhandelsunternehmen. Darüber hinaus arbeiten die Consultants im Bereich Unternehmenssanierung. 1997 gründete Abels & Kemmner das erste virtuelle Unternehmen aus sechs mittelständischen Automobilzulieferern. Heute arbeiten die Berater in vier vernetzten Teams für Supply-Chain-Optimierung, Turnaround-Management, IT-Beratung und DV-gestütztes Bestandsmanagement.

 

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