von Dr. Wolfgang Stock, Michael Hugger1 und Dr. Götz-Andreas Kemmner

Ehe man sich für ein neues PPS-System entscheidet, sollte man pragmatisch prüfen, ob die Rekonfiguration des bestehenden EDV-Systems verbunden mit einer Neugestaltung der Auftragsabwicklung nicht günstiger, effektiver und schneller zu einer wirkungsvollen PPS führt. Wie man die Leistungsfähigkeit eines PPS-Systems für die zukünftigen Belange seines Unternehmens pragmatisch und systematisch prüfen kann, zeigt das Beispiel der Orthomol GmbH in Langenfeld.

Orthomol ist eines der führenden Unternehmen im Segment der orthomolekularen Medizin. Das Therapieprinzip der orthomolekularen Medizin beruht auf der Erkenntnis, dass der menschliche Körper für ein gesundes, reibungsloses Funktionieren aller Organe über 40 Vitalstoffe – Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und essentielle Fettsäuren – benötigt. In der richtigen Menge und Konzentration bieten sie den optimalen Gesundheitsschutz. Orthomol entwickelt und vertreibt solche ausgewogen dosierten Komplexgemische im Bereich natürlicher Mikronährstoffe. 1991 gegründet, traf das Unternehmen genau das steigende Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung. Nach dynamischem Wachstum hat das Unternehmen gegenwärtig 157 Mitarbeiter und entwickelt sich weiterhin schnell.

Nur anfangs war “wenig” genug

Orthomol setzt das PPS-System Rick der KEC Computersysteme GmbH in Eltville ein. Aufgrund seiner Fähigkeiten zur Chargenrückverfolgung bis auf Gebindeebene wird Rick vor allem im Pharma-, Chemie-, Kosmetik- und Lebensmittelbereich angewendet. Orthomol betreibt Rick in einem Novell-Netzwerk mit NT-Clients. Der Einsatz von Rick begann mit dem Verkaufsmodul, weitere Module folgten. Allerdings fehlen bislang wichtige Module zur Planungsfunktion sowie die Stücklisten(Rezeptur)verwaltung. Mit dynamisch wachsendem Geschäftsvolumen war es für Orthomol klar, dass man mit dem bestehenden Einführungsstand von Rick den zukünftigen Anforderungen des Marktes an schnelle und kostengünstige Auftragsabwicklung und Lieferzuverlässigkeit nicht mehr gerecht werden könne. Somit stand man vor der Alternative, das bestehende PPS-System zu überarbeiten oder auf ein neues PPS-System umzusteigen. Um diese zukunftsentscheidende Frage von großer finanzieller Tragweite zuverlässig beantworten zu können, griff Orthomol auf die Erfahrung von Abels & Kemmner zurück.

Mit einem pragmatischen Ansatz die Kosten gering halten

Die Schritte, die unternommen werden, um zu überprüfen, ob ein eingesetztes PPS-System noch den Anforderungen eines Unternehmens gerecht wird, unterscheiden sich normalerweise deutlich von der Vorgehensweise zur Auswahl eines Neusystems. Gelangt man bei der Überprüfung des bestehenden PPS-Systems zu dem Ergebnis, dass dieses den zukünftigen Anforderungen nicht mehr entsprechen kann, sind bereits beträchtliche Beratungskosten angefallen, die bei direkter Auswahl eines Neusystems so nicht notwendig gewesen wären.

Um Kosten und Zeit zu sparen, wurde die Vorgehensweise von Abels & Kemmner so gewählt, dass die einzelnen Arbeitsschritte sowohl für die Neuauswahl eines PPS-Systems wie für die Beurteilung des bestehenden Systems verwendet werden konnten. Wäre man am Ende des Projektes zu der Erkenntnis gelangt, dass das bestehende PPS-System die zukünftigen Anforderungen von Orthomol nicht erfüllt, hätte man die Projektergebnisse direkt für die Vorauswahl eines neuen PPS-Systems weiterverwenden können.

Ausgangspunkt: Die zukünftige Auftragsabwicklung

Abbildung 1: Ansatz zur Bewertung eines bestehenden oder Auswahl eines neuen PPS-Systems
Abbildung 1: Ansatz zur Bewertung eines bestehenden oder Auswahl eines neuen PPS-Systems

Der Projektansatz (vgl. Abb. 1) ging von der Erkenntnis aus, dass die im Unternehmen ablaufenden Geschäftsprozesse im Allgemeinen nicht so gestaltet sind, wie es betriebswirtschaftlich und organisatorisch sinnvoll wäre. Aus diesem Grunde wurde nach einer Erfassung der gegenwärtigen Geschäftsprozesse gemeinsam ein Rahmenkonzept für die zukünftige Gestaltung der Auftragsabwicklung und Fertigungsorganisation erarbeitet. Aus diesem Rahmenkonzept heraus wurden Anforderungen an ein zukünftiges PPS-System definiert. Weitere wesentliche Anforderungen an ein zukünftiges PPS-System ergaben sich aus der Schnittstelle der PPS zur Finanzbuchhaltung und aus betrieblichen und strategischen Randbedingungen wie beispielsweise Anforderungen an den Softwareanbieter und die Software sowie unternehmensstrategische Entwicklungen, die in einem zukünftigen PPS-System berücksichtigt werden müssen.

Anforderungsprofil und “Knackpunkte”-Liste

Das zukünftige PPS-Anforderungsprofil wurde einerseits in einer “Knackpunkte”-Liste abgebildet und andererseits in einen detaillierten Anforderungskatalog auf der Basis des PPS-Marktspiegels des Forschungsinstituts für Rationalisierung (FIR) übersetzt. Während sich die “Knackpunkte”-Liste mit den akuten Problemen der Anwender in Bezug auf die PPS beschäftigte, bildete der Anforderungskatalog die gesamten zukünftigen funktionalen Forderungen an ein PPS-System ab. Bei der Ist-Analyse zeigte sich, dass die Auftragserfassung mit der bestehenden EDV-Unterstützung gegenwärtig noch gut zurecht kam. Der Einkauf dagegen hatte größte Schwierigkeiten, die überwiegend organisatorisch bedingt waren und nur durch bessere Systemunterstützung gelöst werden konnten. Anforderungskataloge werden von den Mitarbeitern, die an der Definition der Anforderungen beteiligt sind, fast immer als “Wunschzettel” missverstanden. Im Ergebnis erhält man ein überzogenes Anforderungsprofil mit zahlreichen K.O.-Kritierien, die allenfalls noch von den umfangreichsten marktüblichen Systemen erfüllt werden können. Um dieser Falle zu entgehen, definierten die Berater von Abels & Kemmner die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen von Orthomol aufgrund der durchgeführten Analysen. Diese pragmatische Vorgehensweise sparte Zeit und erübrigte es den Projekt-Mitarbeitern von Orthomol, sich mit der abstrakten Fachterminologie auseinandersetzen zu müssen. Die von den Beratern definierten Anforderungen waren weitgreifend, verzichteten aber bewusst auf eine Unterscheidung in Kann-, Muss- und K.O.-Kriterien.

PPS-System in der Mangel

In einem zweitägigen Workshop mit dem PPS-Anbieter, den Beratern und ausgewählten Mitgliedern des Projektteams wurden die “Knackpunkte”-Liste und das Anforderungsprofil durchgesprochen. Komplexere Sachverhalte wurden am EDV-System nachvollzogen. Im Workshop zeigte sich, dass ein Großteil der formulierten Anforderungen von dem System Rick erfüllt oder gar übererfüllt wurde. Nur die Bedeutung der Anforderungskriterien, die Rick nicht erfüllen konnte, wurde im Projektteam diskutiert. Neben unkritischen Kann-Forderungen gab es auch einige schwerwiegende Forderungen. Hier wurden entweder organisatorische Lösungen erarbeitet oder Programmergänzungen festgelegt. Durch ein geeignetes organisatorisches Konzept können beispielsweise die Anforderungen von Orthomol an das Phase-in neuer und Phase-out auslaufender Produkte mit der in Rick verfügbaren Funktionalität erfüllt werden. Im Bereich der Absatzprognostik und mittelfristig bei der Optimierung der Materialdisposition muss die Funktionalität von Rick jedoch durch Add-on-Systeme unterstützt werden.

Für die Optimierung der PPS entschieden

Nachdem eine Kostenabschätzung zwischen der Überarbeitung des bestehenden PPS-Systems und der Einführung eines neuen PPS-Systems einen deutlichen Kostenvorteil für das bestehende System auswies, kam das Projektteam zu der Entscheidung, am System Rick festzuhalten und die Auftragsabwicklung sowie das EDV-System zu optimieren. Gegenwärtig arbeitet ein gemeinsames Projektteam von Orthomol, Abels & Kemmner und dem System-Anbieter an dieser Aufgabenstellung. Ziel ist es, ab 1. Juli 2001 mit der komplett restrukturierten PPS in Echtbetrieb zu gehen. Damit ist Orthomol für weiteres dynamisches Wachstum gerüstet.


1 Dr. rer. nat. Wolfgang Stock ist technischer Geschäftsführer, Dipl.-Ing. Michael Hugger ist Leiter EDV bei der Orthomol GmbH in Langenfeld.

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Prof. Dr. Andreas Kemmner