Simultaneous Engineering: Virtuelles Unternehmen

Kürzere Produktlebenszyklen und time-to-market zwingen Zulieferer, die Zusammenarbeit in der vertikalen Lieferantenkette zu synchronisieren. Unterstützt von VW nutzen sechs im ‘Virtuellen Unternehmen’ kooperierende Mittelständlerdazu die neue Internet-Plattform Kopl@ – und senken beispielsweise Änderungskosten um bis zu 50 Prozent.

Verbindung via Internet: Die Plattform Kopl@ vernetzt die in gemeinsamen Projekten zusammenarbeitenden Entwickler der Partnerunternehmen.
Verbindung via Internet: Die Plattform Kopl@ vernetzt die in gemeinsamen Projekten zusammenarbeitenden Entwickler der Partnerunternehmen.

Wie viele Automobil-Zulieferer arbeitet auch Schließsystem-Hersteller Witte-Velbert mit ausgewählten Zulieferern bei der Entwicklung und der Herstellung neuer Produkte in einem Netzwerk eng zusammen. Für jeden Auftrag formiert sich eine bedarfsgerechte zusammengestellte Gruppe von Unternehmen und Mitarbeitern. Aber: Die verantwortlichen Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen sitzen Hunderte Kilometer von einander entfernt. Um den Vorteil der Zusammenarbeit nicht durch Reisezeiten und Terminkoordinationsprobleme zu verspielen, benötigen sie ein ausgeklügeltes Projektmanagement, das sich über die Unternehmensgrenzen hinweg zentral steuern lässt. Solch unternehmensübergreifendes Projektmanagement praktiziert Witte-Velbert mit den Zulieferunternehmen C.W. Hanebeck, Gebr. Wasserloos, Lahme, Paragon und Schrimpf & Schöneberg bereits seit 1997 erfolgreich.

Seit Juli 1999 arbeiten die sechs Unternehmen nun im Rahmen der VIA-Initiative des Landes Nordrhein-Westefalen an einem web-basierten zentralen Kommunikationssystem. Das Projekt unter dem Codenamen Kopl@ dient dem Austausch und der Ablage von Daten und Informationen, der Strukturierung von Entwicklungsabläufen, der Verteilung von Projektaufgaben und der Überwachung des Projekt-Fortschritts. In der bis Ende Mai laufenden Kopl@-Testphase bearbeiten die Unternehmen als Pilotprojekt die Entwicklung eines Schließsystems für den VW T5. Berater von VW beteiligen sich begleitend am Kopl@-Projekt.

Die Kooperationspartner
  • C.W. Hanebeck, Iserlohn: Stanzteile und Blattfedern
  • Gebr. Wasserloos, Velbert: Folgestangenwerkzeuge
  • Lahme, Kierspe: Kunststoffteile
  • Paragon, Delbrück: elektronische Sensoren
  • Schrimpf & Schöneberg, Hohenlimburg: Druck- und Schenkelfedern
  • VW: beratend und als Kunde
  • Witte-Velbert GmbH & Co. KG: u.a. Schlösser, Türgriffe, Türfeststeller, Schließsysteme (ausschließlich für den Automobilbereich)

Der Ruf nach einem Tool wie Kopl@ war mehr als laut. Denn die Verteilung von digitalen und gedruckten Daten per E-Mail, Fax oder konventioneller Post führte nicht zur gewünschten Transparenz.
Daten mussten doppelt und dreifach – im konkreten Fall bis zu sechs Mal – aufbereitet werden, was die Projektmitarbeiter zunehmend mit dem Management von Informationen belastete.
Vertriebsmitarbeiter und Projektingenieure, oft tagelang vor Ort bei den Kunden, konnten sich nur telefonisch über den aktuellen Stand einzelner Projekte informieren.
Die Führungskräfte von Witte-Velbert und der beteiligten Zulieferunternehmen erhielten nur durch Projektstatusberichte und persönliche Gespräche Einblick in die aktuelle Situation einzelner Projekte.
Kopl@ soll deshalb an der Projektfront für Entspannung sorgen. Die Plattform soll ein gemeinsames virtuelles Büro bieten, in dem alle Projektmitarbeiter zusammenarbeiten, egal wo auf der Welt sie sitzen.

Schlüsselposition: Witte-Velbert entwickelt und produziert allein und mit Partnern Automobil-Verschlussysteme aller Art.
Schlüsselposition: Witte-Velbert entwickelt und produziert allein und mit Partnern Automobil-Verschlussysteme aller Art.

In diesem gemeinsamen Büro befinden sich alle Projektdokumente und sonstige Informationen. Ein Suchsystem, das einen laufenden Volltext-Index generiert und im Dialog komplexe Suchabfragen ausführen kann, unterstützt die Mitarbeiter bei der Suche nach Informationen. Wiederkehrende Organisationsabläufe werden in vordefinierten ‘Workflows’ hinterlegt, die Anwender erhalten automatisch Mitteilungen über sie betreffende neue oder geänderte Informationen und Dokumente. Eine gemeinsame Aufagebverwaltung und bei Bedarf auch eine gemeinsame Terminkoordination fördern Abwicklung und Transparenz eines Projektes. Produktentstehungsprozesse strukturiert und kanalisiert das System mit Gate-Reviews und Tracking-Dokumenten. Somit bleiben die Projektaktivitäten nicht nur für die direkt zuständigen Bearbeiter und den Projektleiter transparent, sondern auch für ein erweitertes Projektteam, den Vertrieb und die Geschäftsleitung. Der Vorteil: Obwohl die Beteiligten sich seltener persönlich treffen müssen, befinden sich alle auf dem gleichen Informationsstand. Um diese umfangreiche Leistungssprektrum abzudecken, wählte die mit Konzeption und Umsetzung beauftragte Unternehmensberatung Abels & Kemmner als Basis das E-Management-Tool Livelink von Opentext. Für die konkrete Anwendung erweiterten die Bearter Livelink um spezifische Module und konfigurierten das System zu einem ‘Managementsystem für Virtuelle Unternehmen’. Entsprechend der Struktur von Livelink bewegt sich der Benutzer von Kopl@ in drei Arbeitsbereichen.

  • Im persönlichen Arebitsbereich können Informationen hinterlegt werden, auf die nur der Anwender selbst Zugriff nehmen kann.
  • In Projektbereichen arbeiten die Projektteams zusammen.
  • Der Unternehmensarbeitsbereich als Forum und Informationsquelle steht allen Kopl@-Anwendern offen.

Da in der Produktentwicklung die Vertraulichkeit von Daten und Informationen ernorme Bedeutung besitzt, arbeitet Kopl@ mit einem ausgefeilten Berechtigungssystem. Benmutzern können in Abhängigkeit von ihrer Gruppenzugehörigkeit und ihrer Rolle in Projekten unterschiedliche Zugriffsrechte eingeräumt werden, darüber hinaus können für jedes Objekt individuelle Zugriffsrechte festgelegt werden.

Die Änderungs- und Reisekosten sinken durch den Einsatz von Kopl@ um bis zu 50 Prozent.

Schon jetzt lassen sich die Benefits des Einsatzes von Kopl@ beziffern: Änderungskosten sinken um 35 bis 50 Prozent, Reisekosten um 30 bis 50 Prozent, Transaktionskosten um 50 bis 80 Prozent.
Zudem verringert sich der Zeitbedarf für die Informationsbeschaffung um 40 bis 60 Prozent und die Reaktionszeit bei Kundenwünschen um 50 bis 80 Prozent.
Darüber hinaus erhofft man sich, mittels Kopl@ die Wissensbasis zu vergrößern, auf die unternehmensintern und unternehmensübergreifend zurückgegriffen werden kann. Daher besitzt der Einsatz einer Kooperationsplattform wie Kopl@ auch strategische Bedeutung.

Die Vorteile auf einen Blick 

Kosten:

  • verringerter Änderungsaufwand
  • geringere Reisekosten
  • verringerte Transaktionskosten
  • transparente Änderungskosten

Zeiten:

  • schnellerer Zugriff auf Dokumente
  • zügige Einarbeitung neuer Mitarbeiter
  • geringere Reisezeiten
  • schnellere Informationsbeschaffung
  • kürzere time-to-market

Projektrisiko:

  • Hohe Datensicherheit
  • geordneter, abgesicherter Ablauf
  • zuverlässige und rationelle Abwicklung von Standard-Geschäftsprozessen
  • Transparenz der Projektaktivitäten

Informationsniveau:

  • gleicher Informationsstand aller Beteiligten
  • Zugriff auf die jeweils aktuellsten Dokumente
  • Vermeidung von Informationsüberlastung

Die Autoren:
Evard Rückert ist Geschäftsführer der WITTE-Velbert GmbH & Co. KG
Dr. Götz-Andreas Kemmner ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung Abels & Kemmner GmbH, Herzogenrath/Aachen
Martin Jürgens ist Consultant und Mitarbeiter der Collaborative Commerce Group bei Abels & Kemmner
Picture of Prof. Dr. Andreas Kemmner

Prof. Dr. Andreas Kemmner