von Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. G.-A. Kemmner
Das Enterprise Resource Planning System verkörpert, wie im Vorbeitrag bereits angesprochen, ein Programmkonzept, welches den betriebswirtschaftlichen Ablauf ohne Unterbrechung der Wertschöpfungskette und des Daten- bzw. Informationsflusses sicherstellt, um somit Betriebsabläufe effizient zu planen, steuern und auswerten zu können.
Ohne ERP-System kommt heutzutage ein Unternehmen, das dem Garagenstadium entwachsen ist, kaum noch aus. Doch die Auswahl des passenden Systems ist nicht so leicht wie die Auswahl der passenden Textverarbeitung: Gegenwärtig sind circa 150 ERP-Systemanbieter mit mehr oder weniger umfassenden Systemen am deutschsprachigen Markt zu finden. Hinzu kommt, dass sich die Implementierung des Systems in den laufenden Geschäftsalltag nicht mal so eben am Wochenende durchführen lässt, sondern sorgfältig und über Monate hinweg vorbereitet werden muss.
Welcher Mitarbeiter in einem mittelständischen Unternehmen hat aber Routine in der Auswahl und Einführung von ERP-Systemen? Solches Personal können sich vielfach nur Großkonzerne leisten. Der Mittelstand muss hingegen externe Dienstleister zu Rate ziehen – sowohl für die Auswahl als auch für die Einführung des ERP-Systems. Anderenfalls läuft er Gefahr, mindestens einen der Fehler zu machen, auf die wir immer wieder in unseren Beratungsprojekten und Feuerwehreinsätzen stoßen.
Bei der Systemauswahl hilft es z.B. wenig, alleine darauf zu vertrauen, dass die Marktführer auch die beste Lösung haben. Auch wenn in der Großindustrie der Markt eindeutig durch SAP dominiert wird, ist der Kuchen im Mittelstand noch lange nicht verteilt. SAP versucht hier zwar über Mittelstandspartner sein Softwareprodukt R/3 bzw. mySAP.com zu platzieren, trifft jedoch bei den Mittelständlern auf viele Vorbehalte und kommt offensichtlich nicht so recht voran. In diesem Zusammenhang ist auch der Aufkauf des israelischen Systemanbieters TopManage durch SAP zu sehen. Man will mit einem gesonderten Mittelstandspaket schneller vorankommen. Von ganz anderer Seite kommt ein zweiter Softwareriese – im Mittelstand stärker präsent als SAP – der sich das Feld der ERP-Systeme als weiteres Geschäftsgebiet erkoren hat: Microsoft. Mit dem Aufkauf des dänischen ERP-Systemanbieters Navision brachte Microsoft seine Truppen in Europa gegen SAP in Stellung. Doch wer möchte heute prognostizieren, dass Microsoft seine Erfolgsstory in diesem Segment fortsetzen kann?
Das einzige, was feststeht, ist, dass die Anforderungen im Mittelstand so vielschichtig sind und bleiben, dass es immer eines genauen Hinschauens Bedarf, um nicht aufs falsche Pferd zu setzen. Dass dies nicht so einfach ist, zeigt die Statistik: Auch wenn keine validen Zahlen bekannt sind, herrscht öffentlich der Konsens, dass bei 50% der Systemeinführungen die ursprünglichen Ziele nicht erreicht wurden. Bei 40% aller Systemeinführungen wird das ursprünglich geplante Kostenbudget deutlich überschritten. Und das können wir nur unterschreiben.
In praktisch allen Projekten der vergangenen 10 Jahre sind wir immer wieder auf dieselben Fehler und falsche Kosten/Nutzen-Betrachtungen bei der Auswahl und Einführung von ERP-Systemen getroffen, die in der nebenstehenden Abbildung aufgeführt sind.
Nach unserer Erfahrung besteht nach wie vor die einzige zuverlässige Möglichkeit, den Markt der ERP-Systeme nach dem geeigneten System für das eigenen Unternehmen zu durchforsten, in einer zweistufigen Vorgehensweise. In einer Vorauswahlphase müssen mittels einen funktionalen Vergleichs der ERP-Systeme grundsätzlich geeignete Softwarepakete vorselektiert werden. Die zwei bis drei besten, der ausgefilterten Systeme werden anschließend in einer Endauswahl detailliert unter die Lupe genommen.
Aufgrund der großen Zahl am Markt vertretener Systeme sollte man für die Vorauswahlphase auf eine Software-Datenbank zurückgreifen, die es ermöglicht, die funktionalen Leistungsmerkmale der ERP-System vergleichend zu bewerten. Wir nutzen hierzu die Datenbank des IT-Matchmakers. Diese laufend gepflegte Datenbank stellt nach unserer Erfahrung den gegenwärtig aktuellsten Überblick über die relevanten am Markt angebotenen ERP- und PPS-Systeme dar.
Sie ist aufgrund der großen Anzahl hinterlegter Kriterien differenziert in der Auswahl, aber komplex in der Interpretation der Anforderungskriterien und deshalb nur durch erfahrene Fachleute zu handhaben.
Wer vor der Entscheidung über die Auswahl eines neuen ERP-System steht, sollte die folgenden 10 Tipps zur ERP-Einführung beachten:
- Überlegen Sie, ob ein neues EDV-System wirklich nötig ist!
- Gehen Sie systematisch vor: Erst vereinfachen, dann ERP-System auswählen, dann einführen und schulen, abschließend optimieren.
- Lassen Sie Ihre Auftragsabwicklung von Fachleuten gestalten und radikal vereinfachen!
- Wählen Sie Ihr ERP-System passend zu Ihrer Organisation und nicht durch Vorstandsbeschluss aus!
- Wählens Sie Ihr System nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und nicht nach der Zahl der verfügbaren Funktionen aus.
- Verringern Sie Einführungskosten und Risiken, indem Sie weniger komplexe Systeme auswählen und sich in einer ersten Betriebsstufe auf die wesentlichen Module und Funktionen beschränken.
- Beteiligen Sie die Mitarbeiter an der ERP-Einführung.
- Sichern Sie sich genug qualifizierte Anwendungsberater!
- Erst schulen Sie, schulen Sie, schulen Sie, dann testen Sie, testen Sie, testen Sie!
- Vergessen Sie nach der Einführung nicht zu optimieren!