Das externe Auge sieht mehr

Supply Chain Check beim Arzneimittelhersteller Heel

Dr. Werner Hofmann1, Dr. Götz-Andreas Kemmner

Im Rahmen einer Analyse bewertete die Biologische Heilmittel Heel GmbH das Supply Chain Management aller internationalen Produktionsstandorte durch Teams aus der Unternehmenszentrale. Abels & Kemmner führte ein externes Review in der Unternehmenszentrale in Baden-Baden, dem größten Produktionsstandort von Heel, durch. Ziel war es, die Effizienz der Supply Chain und mögliche Verbesserungspotenziale zu ermitteln.

Ampulle

Die Biologische Heilmittel Heel GmbH ist einer der weltweit führenden Hersteller homöopathischer Arzneimittel. Spezialität sind moderne homöopathische Komplexmittel auf Basis der Homotoxikologie, einer besonderen Methode innerhalb der Homöopathie. Das wissenschaftlich sehr aktive Unternehmen gehört zur DELTON AG in Bad Homburg. Heel erwirtschaftet mit rund 1.200 Mitarbeitern 70 Prozent seines Umsatzes im Ausland. Aus der Firmenzentrale in Baden-Baden wird in mehr als 50 Länder exportiert. In zehn Ländern, inklusive Deutschland, ist Heel durch eigene Tochtergesellschaften vertreten, die zum Teil auch selbst produzieren.

In seinem Führungsleitbild definiert Heel den engagierten Mitarbeiter als wichtigsten Faktor für seinen Erfolg. Aber auch die Durchgängigkeit und Effizienz der Wertschöpfungskette sind im Unternehmen von höchster Bedeutung. Aus diesem Grunde fasst Heel die Planung und Steuerung der Wertschöpfungskette und deren physische Abwicklung in der Verantwortung des Supply Chain Managements (SCM) zusammen. Der Verantwortungsbereich SCM umfasst somit sowohl Ressourcenmanagement (Beschaffung) und Galenik (Herstellung der Arzneiformen), Produktion steriler und nicht-steriler Formen, Qualitätssicherung, Logistik und technischer Service und deckt damit das komplette Operationsmanagement ab.

Die Effizienz der Supply Chain spielt in der gesamten Pharmaindustrie eine große Rolle. Um die internationale Wettbewerbsposition weiter zu stärken, bewertete die Heel-Gruppe im Laufe des Jahres 2007 alle internationalen Produktionsstandorte. Ein unternehmensinternes Projektteam aus der Baden-Badener Zentrale führte die Analyse an den ausländischen Produktionsstandorten durch. Am Standort Baden-Baden wollten sich die Supply-Chain-Spezialisten von Heel nicht selbst bewerten, sondern sich ebenfalls einem objektiven, fachlichen “Review” stellen. Mit dieser Aufgabe wurde Abels & Kemmner im Herbst 2007 beauftragt.

Heel Netzwerk

“Der Supply Chain Review, dessen abschließendes Werkzeug zur Entscheidungsfindung eine Constraint-Analyse war, hat manche Punkte aufgedeckt, die bei der Bewältigung des täglichen Geschäfts nicht direkt erkennbar sind. Insbesondere für unsere aktuellen und zukünftigen Optimierungsprojekte hat sie wertvolle Entscheidungsgrundlagen geliefert”, resümiert Dr. Werner Hofmann, Leiter Supply Chain bei Heel.

Organisatorische Abläufe und IT im Fokus

Für Abels & Kemmner galt es zu prüfen,

  • ob der gesamte “Operations”-Prozess richtig aufgestellt ist,
  • wo die Stärken und Schwächen der heutigen Supply Chain liegen und
  • in welchen Handlungsfeldern noch Leistungsreserven/Potenziale aufgedeckt werden können.

Dazu mussten betrachtet werden:

  • die organisatorischen Abläufe,
  • die zugehörige Unterstützung der Prozesse im SAP-System,
  • die Schnittstellen zwischen den einzelnen Abteilungen,
  • die Verteilung der Kompetenzen und
  • die Schnittstellen zu exponierten Abteilungen außerhalb der Supply Chain. Hier waren vor allem die Bereiche Forecasting sowie “Regulatory Affairs” von Bedeutung.

Ziel war es, eventuelle Engpässe zu erkennen, notwendige Handlungsfelder zu definieren und mögliche “Quick fixes” aufzuzeigen. Das Projekt begann mit Interviews aller Verantwortlichen entlang der Wertschöpfungskette. Dabei waren sowohl die organisatorischen Abläufe zu klären, wie auch der Informationstausch mit anderen Abteilungen innerhalb und außerhalb des Bereiches Supply Chain. Zur Steuerung von Materialwirtschaft und Produktion setzt Heel SAP ein. Inwieweit das SAP-System die Geschäftsprozesse und Organisationsabläufe wirkungsvoll unterstützt, galt es deshalb ebenfalls zu prüfen. Gepaart mit der Erfahrung der Berater ermöglichten diese Interviews eine erste grobe Bewertung der Ist-Situation.

Um das Review möglichst effektiv und zügig durchführen zu können, setzten die Berater von Abels & Kemmner bei der weiteren Problemanalyse die Methodik der Constraint-Analyse ein.

Die Constraint-Analyse ist ein Element der von dem amerikanisch-israelischen Physiker Eliyahu Goldratt entwickelten Theory of Constraints. Die TOC geht davon aus, dass jedes organisatorisch-technische System solange weiter wächst, bis ein System-Element an eine Begrenzung (=Engpass) stößt. Wird dieser Engpass erkannt und beseitigt, so wächst das System so lange weiter, bis wiederum ein System-Element an einen Engpass stößt. Die Engpässe können dabei sowohl technischer und organisatorischer Struktur sein, sie können nicht selten aber auch aus internen Regelungen, Prinzipien oder der Unternehmenspolitik bestehen. Die Constraint-Analyse stellt eine systematische Methode zur Identifikation der an gesprochenen Engpässe dar.

Constraint Analyse

Im Ziel entspricht die Constraint-Analyse einer Schwachstellen-Analyse. Die entscheidende Ergänzung besteht darin, dass vermeintliche oder offensichtliche Schwachstellen (Wirkungen) hinsichtlich ihrer zugrundeliegenden, nicht immer direkt erkennbaren Kernursachen abgeklopft werden. Diese Kernursachen (“root causes”) gilt es zu beseitigen, um damit, quasi wie in einer Reihe fallender Dominosteine, auch die beobachteten Schwachstellen zu beheben. Sind die Kernursachen bekannt, lassen sich daraus klar die anzugehenden Handlungsfelder ableiten. Ergebnis der Constraint-Analyse ist ein sogenannter Realitätsbaum, der einem Schaltplan gleichend, das Ursachen-Wirkungsnetz zwischen erkannten Symptomen und den erwähnten Kernursachen wiedergibt.

Die durchgeführten Interviews stellten nur einen ersten Schritt dar, um mögliche Constraints der Supply Chain bei Heel zu identifizieren. Im Rahmen eines Analyse-Workshops wurden zusammen mit den Führungskräften des Bereiches als negativ bewertete Aspekte der heutigen Supply Chain zusammengetragen. Gemeinsam wurden sodann die Ursachen dieser negativen Aspekte sowie die resultierenden Konsequenzen herausgearbeitet.

Die Ergebnisse des Analyse-Workshops in Verbindung mit den Erkenntnissen aus den Interviews stellten die Grundlagen dar, auf denen ein erster Entwurf des Constraint-Netzes durch die Berater konstruiert werden konnte. Entsprechend den herausgearbeiteten Kernursachen wurden von den Beratern Vorschläge für deren Beseitigung erarbeitet, zu Maßnahmenpaketen zusammengefasst und in die vier Handlungsfelder:

  • Prozessbegradigung
  • Systemunterstützung
  • Zuständigkeiten und Schnittstellen sowie
  • Personal.

eingeordnet.

Heel Workshops

Das erarbeitete Constraint-Netz sowie die vorgeschlagenen Maßnahmen und definierten Handlungsfelder wurden in einem Projektierungs-Workshop verifiziert, adaptiert und verabschiedet.

Da die in den einzelnen Handlungsfeldern erarbeiteten Maßnahmenpakete alle dem Constraint-Netz entstammten, bestanden zwischen ihnen verständlicherweise Wechselwirkungen. In einem abschließenden Schritt galt es deshalb, diese Wechselwirkungen zu bewerten um diejenigen Maßnahmenpakete zuerst anzugehen, die

  • einerseits von den anderen Maßnahmenpaketen am geringen beeinflusst werden und
  • andererseits selbst den größten Einfluss auf andere Maßnahmenpakete ausüben.

Die Wechselwirkungen wurden hierzu in einer sog. Beeinflussungsmatrix bewertet und in einem Beeinflussungs-Portfolio dargestellt.

Zusammenfassend zeigte sich, dass das Supply Chain Management von Heel sehr gut aufgestellt ist. Verbesserungspotenziale wurden vor allen an den Schnittstellen zu anderen Bereichen sowie bei der Systemunterstützung identifiziert.

Arbeitsgruppen aus Mitarbeitern und Führungskräften des Supply Chain Managements arbeiten diese Optimierungsmaßnahmen zusammen mit den anderen Unternehmensbereichen nun systematisch ab, denn, wer aufhört besser zu werden, der hört auf, gut zu sein.

Reviews mit anschließender „Supervision“ sind besonders effektiv

Selbst Unternehmen, die sehr stark auf ihre Supply Chain achten und mehrere Spezialisten für das Supply Chain Management beschäftigen, brauchen für eine optimale Supply-Chain-Justage regelmäßig externe Reflexion, denn Technologien sowie strukturelle und personelle Rahmenbedingungen wandeln sich und auch die ständige interne Sicht kann zu “Scheuklappendenken” führen. Als ideales Arbeitsmittel für solche Supply Chain Reviews hat sich die Constraint-Analyse herausgestellt, denn die bei diesen Analysen entstehenden Maßnahmenpakete setzen nicht an Symptomen, sondern an den Wurzeln des Geschehens an. Gleichzeitig bieten die einmal erstellten Constraint-Netze eine gute Basis zur kontinuierlichen Reflexion bzw. anschließenden Supervision.
Maßnahmenpaket

Um die Umsetzung der Ergebnisse eines Supply Chain Reviews abzusichern, hat sich die Supervision als Ansatz bewähnt. Unter Supervision versteht Abels & Kemmner jedoch nicht die Kontrolle der Beteiligten, sondern die Unterstützung der Experten durch die Vereinbarung von Zielen für einen bestimmten Zeitraum und die regelmäßige Erfolgskontrolle. Es gilt, einen laufenden Verbesserungsprozess am Leben zu halten. Zielsetzung, Überprüfung der durchgeführten Maßnahmen und Ergebnisse, Reflexion von Erfahrungen und kontinuierliches Nachregeln der Ziele können allerdings bis zum Coachingprozess führen.


1 Dr. Werner Hofmann ist Director Supply Chain bei der Biologische Heilmittel Heel GmbH in Baden-Baden.

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Prof. Dr. Andreas Kemmner

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