Strategie aus einem Guss

So gelingt die Abstimmung der Logistik- auf die Unternehmensstrategie

Wie können Sie Ihre Logistikstrategie auf Ihre Unternehmensstrategie abstimmen und daraus das passende logistische Geschäftsmodell entwickeln, um dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein? Was sind die typischen Defizite in der Logistikstrategie, mit welchen Handlungsfeldern müssen wir uns beschäftigen und welche Ansatzpunkte zur Optimierung der Logistikstrategie werden in der Praxis vernachlässigt? Diesen Fragen möchte ich in diesem Beitrag nachgehen.

Unsere Projekterfahrungen zeigen regelmäßig, dass in vielen Unternehmen noch große Produktivitäts- und Marktpotenziale schlummern, da das logistische Geschäftsmodell meist “organisch” durch zahlreiche isolierte Bereichsmaßnahmen entstanden ist und nicht konsistent entwickelt wurde.

Die typischen Defizite in den Logistikkonzepten der Unternehmen

Das logistische Geschäftsmodell eines Unternehmens legt fest, wie die fünf Schichten der inner- und überbetriebliche Wertschöpfungskette eines Unternehmens sowie die Lieferfähigkeit seines Produktportfolios ausgestaltet sind.

In unseren Projekten treffen wir immer wieder auf dieselben Brennpunkte, an denen Handlungsbedarf besteht. Diese Brennpunkte sind die

  • Ausgestaltung des Planungs- und Steuerungsmodells,
  • die Architektur der Wertschöpfungskette und
  • die Lieferfähigkeit des Produktportfolios.

Die Lieferfähigkeit des Produktportfolios
Natürlich liegt es nicht im Ermessen der Logistik über das Produktportfolio zu entscheiden. Die Ausgestaltung des Produktportfolios in Hinblick auf die Umsatzverteilung und die Bedarfsregelmäßigkeit der Artikel hat jedoch großen Einfluss auf die Effizienz der Wertschöpfungskette. Um möglichst wettbewerbsfähig zu sein, muss das Supply Chain Management beim logistischen Ausbalancieren des Produktportfolios mitarbeiten. In einem typischen Produktportfolio werden mit 20-40% der Artikel 60-80% des Umsatzes gemacht; dieser Teil des Produktportfolios ist aus logistischer Sicht unproblematisch. Am andere Ende des Portfolios erwirtschaften 30% bis 50% der Artikel lediglich 2-3% des Umsatzes, erfordern aber durchaus 20% bis 30% des Gesamtbestandes. Hier muss angesetzt werden, um den logistischen Aufwand auf einem vernünftigen Maß zu halten.

Eine Logistikstrategie sollte auf unterschiedlichen Schichten basieren.
Eine Logistikstrategie sollte auf unterschiedlichen Schichten basieren.

Die Architektur der Wertschöpfungskette
Aus Perspektive der Logistik ist eine Wertschöpfungskette ideal, bei der auf wenigen Lagerstufen Material mit hoher Lieferbereitschaft liegt, das mit kurzen Wiederbeschaffungszeiten nachbevorratet werden kann. Diesem Ziel kommt man umso näher, je geringer die Fertigungs- und Beschaffungslosgrößen und je geringer die Beschaffungs-, Fertigungs- und Transportzeiten vom Lieferanten des Lieferanten bis zur Warenverfügbarkeit im eigenen Lager sind. Zumindest aus Kostengründen lassen sich weder Losgröße „1“ noch Lieferanten um die Ecke realisieren.
Die Möglichkeiten, Losgrößen und Nachbevorratungszeiten zu verringern, werden von vielen Unternehmen jedoch noch nicht ausreichend genutzt.

Die Ausgestaltung des Planungs- und Steuerungsmodells
Vielen Unternehmen fehlt nach wie vor eine durchgängige Planungskette – von der Ermittlung des Marktbedarfes bis zur Fertigungssteuerung und der Beschaffung. Es wird oft zu stark nach der ursprünglichen Jahresplanung gearbeitet und sich zu wenig an den tatsächlichen sich abzeichnenden Marktbedarfen orientiert. Aus diesem Grunde, werden anschließend in der Fertigungs- und Beschaffungsdisposition Planbedarfe oft dispositiv übersteuert. Man folgt nicht den Planwerten, denen man nicht so recht glaubt und damit auch nicht den Vorschlägen des ERP-Systems, sondern disponiert manuell „gegen das System“.

Und selbst dort, wo die Planbedarfe ordentlich ermittelt oder von den Kunden bereitgestellt werden, wird oft an den Dispositionsvorschlägen des ERP-Systems vorbei gearbeitet, da das ERP-System nicht richtig eingestellt ist.

Letztlich sorgt eine zu hohe dispositive Freiheit auf den einzelnen Stufen eines mehrstufigen Distributionssystems für Überbestände und einen vermeidbaren Peitscheneffekt.

Aus welchen Bausteinen lässt sich eine optimale Logistikstrategie aufbauen?

In den verschiedenen Handlungsfeldern kristallisieren sich bestimmte regelmäßig erforderliche Lösungsbausteine heraus. Diese differenzieren zum Teil danach, ob ein Unternehmen nur Handel betreibt oder auch produziert, in welcher Branche es tätig ist und ob es direkt an Endverbraucher (B-to-C) oder an Geschäftskunden (B-to-B) liefert. Nachfolgend finden Sie die Bausteine, die weitgehend allgemeingültig sind.  Natürlich ist nicht jede Maßnahme in jedem Unternehmen sinnvoll und notwendig.

Ausgewählte Bausteine zur logistischen Optimierung des Produktportfolios

  • Quartalsweise Bereinigung des Produktportfolios.
  • Deckungsbeitragsorientierte Produktbereinigung
    Dafür sollten realistische Deckungsbeiträge ermittelt werden, bei denen Gemeinkosten nicht einfach nach Tragfähigkeit umgelegt werden, sondern sich an den tatsächlichen Prozesskosten orientieren.
  • Unsicherheitsorientierte Produktbereinigung
    Je mehr Unsicherheit in einem Artikel steckt, desto geringer sollte die Lieferfähigkeit des Artikels sein. Die Unsicherheit eines Artikels lässt sich gut über die erforderlichen Bestandsreichweiten für Sicherheitsbestände bewerten. Artikel mit hohen Sicherheitsbestandsreichweiten sollten auftragsbezogen beschafft, aussortiert oder in ihrer Lieferfähigkeit reduziert werden.
  • Gezielte Preisdifferenzierung, um die Sortimentsbereinigung zu unterstützen.

Ausgewählte Bausteine zur Optimierung der Architektur der Wertschöpfungskette

  • In der Fertigung:
    • Wirtschaftliche Losgrößen:
      Konsequente Ermittlung wirtschaftlicher Fertigungslosgrößen, wobei nur die variablen Kosten ins Gewicht fallen dürfen und nicht mit Vollkosten gerechnet werden sollte.
    • Group Technology
      Bei AB/XY-Teilen konsequente Maschinenbelegung nach Rüstgruppen. Für alle anderen Teile möglichst rüstflexible Anlagen, nicht notwendigerweise stückzeiteffiziente Anlagen beschaffen
    • Engpässe systematisch identifizieren und beseitigen
    • Konsequente Logistische Positionierung
      Abhängig vom dem gewünschten Kompromiss aus Durchlaufzeit, Kapazitätsauslastung und mittlerer Termintreue an einer Anlage ist der erforderliche mittlere Bestand statistisch zu ermitteln und konsequent einzuhalten. Dazu müssen erforderliche Anpassungen an den Fertigungskapazitäten oder am Teilezufluss rechtzeitig erkannt und umgesetzt werden.
    • Konsequentes Kompensieren von Unsicherheiten in der Wertschöpfungskette.
      Identifizierte Unsicherheiten sollten möglichst beseitigt, ansonsten über Sicherheitsbestände oder Fertigungsflexibilität abgepuffert werden.
    • 80/20 Nivellierung
      Differenziertes Justieren der logischen Endkopplungspunkte für regelmäßige und unregelmäßige Teile. Regelmäßige Teile können über Lager gepuffert werden und dadurch nachrangig Kapazität belegen, die dann für unregelmäßige Teile zur Verfügung steht, die nicht gelagert, sondern schnell nachgefertigt werden.
  • In der Beschaffung:
    • Saubere Abstimmung der technischen und organisatorischen Prozesse zwischen Kunde und Lieferant.
      Manchmal reichen bereits leichte technische Modifikationen an einer Produktanforderung, um Kosten und Wiederbeschaffungszeiten zu senken.
    • Konsequentes VMI:
      Einführung von VMI-Prozessen, um den Lieferanten mehr Flexibilität bei gleichzeitig besserer Lieferfähigkeit zu geben.
    • Konsequente Verkürzung der Wiederbeschaffungszeiten
      Abstimmen von Vorfertigungsstufen und Vorbeschaffung mit den Lieferanten; Auswahl von teureren, aber nahen Ersatzlieferanten für einen kleinen Teil des Grundbedarfes und die Spitzenbedarfe.

Im Rahmen dieses Beitrages konnten die Bausteine zur Optimierung des logistischen Geschäftsmodells und damit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit nur angerissen werden und ich musste mich auf die allgemein gültigeren Aspekte konzentrieren.

In Summe machen wir häufig die Erfahrung, dass den logistischen Aspekten in vielen Unternehmen nicht die notwendige Aufmerksamkeit zukommt. Logistische Leistung ist teuer, wird von den Kunden in den meisten Fällen nicht ausreichend bezahlt und kann die Erträge eines Unternehmens schnell auffressen. Betrachtet man die Entwicklungen im Onlinehandel, so gewinnt man den Eindruck, dass die Schlachten zwar mit dem Produktportfolio gewonnen, der Krieg aber zuweilen durch die Kosten der Logistik verloren wird. Dabei lassen sich erste Verbesserungen zügig erreichen. Mit einem Supply Chain Checkup sind die zentralen Lösungsansätze schnell erkannt. Danach müssen sie systematisch abgearbeitet werden; doch wer heute anfängt ist schneller fertig, als die Konkurrenz, die bis morgen schläft.

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Prof. Dr. Andreas Kemmner