Die optimale und zugleich kostengünstigste Losgröße zu ermitteln beschäftigt Experten seit rund 100 Jahren. Beginnend mit dem Andler-Verfahren 1929 wurde eine Unzahl wirtschaftlicher Losgrößenverfahren entwickelt, die alle zum Ziel haben, die Losgröße zu finden, bei der die Summe aus Lagerhaltungskosten und Losauflagekosten (Bestellkosten bei Bestellungen oder Rüstkosten bei Fertigungsaufträgen) minimal ist.
Wie Sie zum wirtschaftlichen Losgrößenverfahren gelangen und die kostengünstigste, optimale Losgröße berechnen
In der Praxis kommen heute vor allen sechs Verfahren zum Einsatz: das Andler-Verfahren, die gleitende wirtschaftliche Losgröße, das Part-Period-Verfahren, das Silver-Meal-Verfahren, das Groff-Verfahren oder das Wagner-Whitin-Verfahren.
Die Wagner-Whitin-Verfahren gilt in der Theorie als das einzige präzise wirtschaftliche Losgrößenverfahren, da es über den gesamten betrachteten Planungshorizont die erforderlichen Fertigungs- oder Bestelllose so zusammensetzt, dass die Gesamtkosten über den Planungshorizont minimal sind.
Das Andler-Verfahren versucht ähnliches, es berücksichtigt dabei aber nur die Gesamtbedarfsmenge im Planungshorizont, während Wagner-Whitin die zeitliche Verteilung der Teilbedarfsmengen beachtet.
Alle anderen aufgeführten Verfahren arbeiten nach dem „Raffungsprinzip“. Wenn Material nachbestellt oder nachgefertigt werden muss, dann prüfen die Verfahren, wie viele Bedarfe in der Zukunft bereits mitbestellt werden sollten, um die Gesamtkosten über diesen Zeitraum so gering wie möglich zu halten. Bei einer Bestellung werden Bedarfe also „zusammengerafft“. Für die nächste Bestellung wird eine neuer „Raffungsprozess“ gestartet und so weiter.
Simulationen schaffen Transparenz – optimale Losgröße und wirtschaftliche Losgröße
Wie vorausgehend angedeutet, führt die Raffungsmethode theoretisch nicht zu den geringsten Gesamtkosten im Planungshorizont. In empirischen Simulationen, wie wir sie im Rahmen vieler unserer Beratungsprojekte durchführen, zeigt sich allerdings, dass der Vorteil des Wagner-Whitin-Verfahrens in der Praxis nur bei einem Teil der Artikel greift, da sich die Bedarfsmengen und ihre Verteilung im Zeitverlauf des Planungshorizonts laufend ändern.
Deshalb allerdings auf die Näherungsverfahren anstatt auf Wagner-Whitin zu setzen, führt leider nicht zur korrekteren wirtschaftlichen Losgrößen. Alle Näherungsverfahren gehen von unterschiedlichen Überlegungen zur Kostenbetrachtung aus und gelangen deshalb häufig zu unterschiedlichen Werten für die wirtschaftliche Losgröße. Die Abweichungen können dabei sehr deutlich ausfallen (Abb. 1).
Das grundsätzlich richtige wirtschaftliche Losgrößenverfahren gibt es nicht
Wenn unterschiedliche wirtschaftliche Losgrößenverfahren zu deutlich unterschiedlichen Losgrößen führen, drängt sich die Frage nach dem Verfahren auf, das am nächsten an der „Wahrheit“ liegt. Man muss die wirtschaftliche Losgröße nicht genau treffen, wenn man nur nahe genug an den richtigen Wert herankäme, reichte dies schon.
Leider belegen die Erfahrungen der Praxis, dass keine der Losgrößenformeln hinreichend genau rechnet, um auf ein einziges wirtschaftliches Losgrößenverfahren zu setzen. Abb. 2 zeigt an einem Fallbeispiel, welche Kostenveränderungen sich über ein gesamtes Spektrum an Fertigungsartikeln ergäbe, wenn bei allen Artikeln konsequent eines der sechs geläufigsten wirtschaftlichen Losgrößenverfahren angewandt würde. Egal welches der Losgrößenverfahren man nutzen würde, in allen Fällen würden die Gesamtkosten zunehmen!
In der Praxis ist dieser Effekt zumeist nicht bekannt, obwohl er das größte Problem bei der Anwendung wirtschaftlicher Losgrößenverfahren darstellt. Mit den üblichen Bordmitteln der Praxis kann man den dargestellten Kostenerhöhungseffekt leider nicht erkennen. Dazu benötigt man ein leistungsfähigeres Instrument in Form eines Simulationssystems.
Wie man mittels Simulation das optimale wirtschaftliche Losgrößenverfahren findet
Wir haben die obigen Analysen mit Hilfe des Systems DISKOVER durchgeführt. DISKOVER ist ein ERP-Optimierungssystem, das unter anderen dazu eingesetzt werden kann, die Dispositionsparameter eines ERP-Systems automatisch nachzupflegen und dabei die Dispositionsparameter so einzustellen, dass möglichst wirtschaftliche Dispovorschläge generiert werden. Um möglichst wirtschaftliche Parametereinstellungen zu finden, verfügt DISKOVER über eine Simulationsfunktion, mit der der wirtschaftliche Effekt unterschiedlicher Parameter auf Basis empirischer Werte der Vergangenheit ermittelt werden kann.
Ebenfalls mit diesem Simulationsansatz lässt sich für jeden Artikel dasjenige wirtschaftliche Losgrößenverfahren ermitteln, das zu den geringsten Gesamtkosten führt. In dem Anwendungsfall, aus dem die oben dargestellten Zahlenwerte stammen, konnten auf diese Weise die Summe der jährlichen Lagerhaltungs- und Losauflagekosten (=Gesamtkosten) um über 200.000€, entsprechend 22% bezogen auf die Gesamtkosten vor der Losgrößenoptimierung gesenkt werden.
Welches der verschiedenen wirtschaftlichen Losgrößenverfahren in Analysebeispiel wie häufig als optimal identifiziert wurde, zeigt Abb. 3.
Mit modernen Softwaremodulen zur Optimierung von Dispositionsparametern zur optimalen wirtschaftlichen Losgröße
Die beträchtlichen Kosteneinsparungspotenziale lassen sich mit modernen Softwaremodulen zur Optimierung von Dispositionsparametern, wie z.B. DISKOVER, einfach und automatisch heben. Eine Voraussetzung ist dafür allerdings noch erforderlich: die richtigen Kosteneingangsgrößen, d.h. Lagerhaltungskostensatz sowie Bestellkosten oder Rüstkosten müssen bekannt sein.
Trotz Heerscharen von Controllern und Kostenrechnern in vielen Unternehmen scheitern erstaunlicherweise gerade an dieser Hürde die meisten Projekte zum Einsatz wirtschaftlicher Losgrößen. Aber auch hier gilt:
Versteht man die Zusammenhänge, muss das Ermitteln der Kosteneingangsgrößen für die wirtschaftliche Losgrößenberechnung keine Sorgen bereiten.
Was sind Ihre Erfahrungen zur optimalen Losgröße und wirtschaftlichen Losgrößenverfahren. Schreiben Sie uns!
Auf unserer Wissen-Seite finden Sie weitere hilfreiche Tipps.
Der 3. Teil der Blogserie behandelt deshalb das Thema der Kosten bei wirtschaftlichen Losgrößenverfahren.