Entkopplungspunkt-Analyse & LEAN ermöglichen spektakuläre Lieferzeitreduzierung

Das Unternehmen ebm-papst in Mulfingen hat sich spezialisiert auf Produkte in den Bereichen
Luft-, Kälte- und Klimatechnik.
Ob im industriellen oder privaten Umfeld, jeder kommt täglich mit einer Vielzahl von ebm-papst Produkten in Berührung – meistens ohne es zu merken. So sind in einem typischen Deutschen Haushalt bis zu 20 Produkte von ebm-papst versteckt.

Alexander Käss, Anna Kraft, Dirk Ungerechts, Dr. Bernd Reineke*

Wettbewerbsvorteile erzielen durch drastische Reduzierung der Lieferzeiten

Da der Markt für Luft- und Klimageräte stark umkämpft ist, hatte die Geschäftsleitung von ebm-papst in Mulfingen eine klare Vorstellung:

  • Mit drastisch reduzierten Lieferzeiten einen signifikanten Wettbewerbsvorteil erzielen
  • Langfristig und nachhaltig die Effizienz steigern
  • Fehlteile vermeiden und zu hohe Bestände reduzieren

Der erste Schritt dafür war die Einführung von diversen LEAN-Methoden in der Fertigung: Verschwendungen wurde konsequent eliminiert und Wartezeiten wurden reduziert. Trotz aller Bemühungen kam es jedoch regelmäßig zu Fehlteilsituationen in der Endmontage. Wo einerseits Material fehlte, bewerteten die Verantwortlichen andererseits die Bestände an verfügbaren Komponenten als zu hoch. Die Lieferperformance streute, die Produktverfügbarkeit war nicht auf dem gewünschten Level.

Automatische Entkopplungspunktanalyse führt zur Eliminierung überflüssiger Bestandsstufen

Um die Mission zur Reduzierung von Durchlaufzeit und Lieferzeit zu realisieren, nahm ebm-papst gemeinsam mit der SCM Beratung Abels & Kemmner die Verfügbarkeitsprobleme auf Komponentenebene unter die „digitale Lupe“.

Die „digitale Lupe“ ist in dem Fall ein Digitaler Zwilling aus ERP-Daten, mit dem in kurzer Zeit eine Entkopplungspunkt-Analyse für ebm-papst ermöglicht wurde. Hierbei wurden gewünschte Lieferzeiten von Endgeräten zum Kunden simuliert. Im Ergebnis wurde deutlich, welche Komponenten auf Basis ihrer Eigenfertigungszeit bzw. Lieferzeit lagerhaltig sein müssen. Andererseits lieferte dies die richtigen Informationen, zu welchen Zeitpunkten auftragsbezogene Komponenten verfügbar sein müssen.

Als weiteres Ergebnis der Entkopplungspunkt-Analyse konnten im Zuge von Prozessoptimierungen diverse Lagerstufen eliminiert werden. Darüber hinaus wurde transparent, bei welchen Lagerstufen, ebm-papst zur Verschlankung der Prozesse, Lieferzeit bzw. Eigenfertigungszeit um einen Wert von 1 – 2 Arbeitstagen reduzieren müsste.

Sicherheitsbestände richtig dimensionieren und dynamisch anpassen

Bei Komponenten, die nach der Entkopplungspunkt-Analyse als „lagerhaltig“ eingestuft wurden, musste darüber hinaus die Qualität der Prognosen gesteigert werden. Dies vor dem Hintergrund die Sicherheitsbestände auf diesen Stufen sinnvoll zu dimensionieren, um die angepeilte Produktverfügbarkeit zu gewährleisten.

Erste Berechnungen ergaben, dass die Komponentenbestände durch die Maßnahmen in Summe um etwa 28% reduziert werden könnten. Gleichzeitig könnte die Verfügbarkeit von Komponenten von damals aktuellen 89% auf einen Zielwert von etwa 98,5% gesteigert werden.

Aufgrund der ersichtlich hohen Potenziale zur nachhaltigen Reduzierung der Bestände und der Tatsache, dass Verbräuche sich dynamisch verändern, war ebm-papst überzeugt, dass diese Art von Berechnungen regelmäßig erfolgen sollte und Planungs- wie Prognoseparameter laufend an die aktuelle Marktsituation angepasst werden sollten. Man entschied daher, die eingesetzte Software zur Simulation von A&K zunächst testweise nach Abschluss des Projektes weiterzuverwenden und dazu in die bestehende ebm-papst ERP-Landschaft zu integrieren.

Abels & Kemmner macht SAP intelligenter

Bei ebm-papst erfolgt die operative Abwicklung von Fertigungsaufträgen, Bestellungen und Kundenaufträgen mit einem ERP-System von SAP. Nach Prüfung Prognosewerte und der Planungs- und Dispositionsparameter, die das Simulationssystem lieferte, entschloss ebm-papst sich dazu, die optimierten Parametereinstellungen direkt mit dem SAP-System zu synchronisieren.

Die bestehenden Planungsläufe und operativen Abwicklung werden so mit „klügeren Daten“ versorgt und das SAP-System auf diese Weise „automatisiert und intelligenter“. Es werden, wie in diesem ERP-Performance Management üblich, täglich Daten ausgetauscht, wodurch Veränderungen und Abweichungen automatisch erkannt werden.

Verschiebende Warenströme über Werke hinweg bieten extra Herausforderungen

Die Berater von Abels & Kemmner empfahlen einen zentralen Ansatz im Bestandsmanagement. Dies vor dem Hintergrund, dass sich Verbräuche innerhalb des Konzerns bzw. zwischen Werk-Standorten verschieben. Dieser zentrale Ansatz verfolgt den Zweck, über ein „virtuelles Stammwerk“ sämtliche Materialbewegungen zusammen zu fassen.

Als Resultat liefern die Berechnungen und Simulationen optimierte Sicherheitsbestände für alle Materialien in allen Werken. Dabei werden sowohl interne Lieferzeiten für Umlagerungen berücksichtigt wie das Verhältnis des Verbrauchs eines Werkes zum Gesamtverbrauch eines Materials. Dies führt dazu, dass sämtliche Daten pro Werk und Monat automatisch „up-to-date“ sind.

KPIs anpassen an neue Arbeitsweise

Gemeinsam mit ebm-papst erarbeitete das Berater-Team neue, geeignete Kennzahlen, mit denen die Qualität der Prozesse transparent und messbar werden konnte. Die Kennzahlen sollten auch sichtbar machen, wo es lohnt, stärker „am Prozess, statt im Prozess“ zu arbeiten.

Da sich der Fokus bei ebm-papst in Richtung Sicherstellen der Verfügbarkeit von Komponenten verschoben hatte, verabschiedete sich ebm-papst konsequenterweise von klassischen Kennzahlen wie beispielsweise „Umschlagshäufigkeit“.

Heute wird mit „Verfügbarkeit“ als neuer Kennzahl gesteuert. Hierzu wird täglich berechnet, welcher Teil der fälligen Bedarfe einer Komponente von Beständen abgedeckt wird. Um eine reibungslose Fertigung zu gewährleisten, sollte die Verfügbarkeit bzw. Liefertreue im Bereich 99% oder höher liegen. Trotz dieses ehrgeizigen Ziels werden diese Werte heute, durch frühzeitiges Erkennen von Versorgungslücken und rechtzeitiges Einleiten geeigneter Maßnahmen, im Regelfall erreicht.

Fazit – nach erfolgreicher Pilot-Phase am Etappen- Ziel

Mit Hilfe einer Entkopplungspunkt-Analyse und einer erfolgreich verlaufenen Pilot-Phase, wurden die simulierten und berechneten Verbesserungen bei Produktverfügbarkeiten und Beständen im zweistelligen Prozentbereich erzielt.

Anlass genug für ebm-papst, mit der „intelligenten Planungslogik“ und der neu gewonnenen Transparenz, nach weiteren Fortschritten zu streben. Dies gelingt den Verantwortlichen bei ebm-papst inzwischen im Wesentlichen in Eigenregie; dank eines engagierten Projektteams, das die Konzepte und die Vorgehensweise verinnerlicht hat, um die eingesetzten Systeme und Lösungen richtig einzustellen.

Abels & Kemmner leistet, über das Projekt hinaus, mit Erfahrungsaustausch stetig einen wertvollen Beitrag zur Zusammenarbeit. Mit den implementierten Werkzeugen kann ebm-papst logistische Ideen und Konzepte heute quasi selbständig testen und umsetzen.


*Alexander Käss ist Leiter Koordination SAP Produktionsprozesse global bei der ebm-papst Mulfingen GmbH & Co. KG
Anna Kraft ist Projektmitglied und KEY-User Global SAP ERP und DISKOVER bei der ebm-papst Mulfingen GmbH & Co. KG
Dirk Ungerechts ist Geschäftsführer der Abels & Kemmner GmbH Supply Chain Engineers
Dr.-Ing. Bernd Reineke ist Geschäftsführer bei der Abels & Kemmner GmbH

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Dirk Ungerechts