Produktionsplanung mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz

Produktionsplanung mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz

Der mittelständische Papier- und Folienveredler Sihl aus Düren hat seine Produktionsplanung auf ein neues Niveau gehoben. Mit Unterstützung von Künstlicher Intelligenz (KI) und dem System DISKOVER-PP/DS der SCT GmbH konnte Sihl seine veralteten Provisorien durch eine integrierte und transparente Planung ersetzen. Dank der KI-gestützten Maschinenbelegungsplanung erzielt das Unternehmen heute deutlich schneller bessere Ergebnisse.

Als mittelständisches Unternehmen ist Sihl kein typischer Early Adopter neuer Technologien. So ging es Sihl bei der Suche nach einem passenden PP/DS (Production Planning and Detailed Scheduling)-System in erster Linie darum, die vielen Behelfslösungen abzulösen, die aus der veralteten Produktionsfeinplanung aus den 90er-Jahren resultierten. Oberstes Ziel war es, mehr Transparenz zu schaffen und integrierter zu planen. Doch heute freut sich Simone Stahr, Teamleiterin Produktionsplanung bei Sihl, für ihr Projekt mit SCT und DISKOVER eine Lösung gewählt zu haben, die Künstliche Intelligenz (KI) bereits nutzt.

Mit KI die Komplexität beherrschen

Die Feinplanung einer Produktion profitiert erheblich von KI, insbesondere angesichts der Vielzahl von Maschinen, Produkten, Aufträgen und Lieferterminen, die in Kombination mit schwankenden Personalressourcen, Rohstoffen und Rüstzeiten einen nahezu unendlichen Entscheidungsraum schaffen. In komplexen Fertigungsabläufen mit zahlreichen Abhängigkeiten ist es äußerst schwierig, täglich das optimale Gesamtergebnis zu erzielen. Das Dilemma der pünktlichen Warenbereitstellung bei möglichst effizienter Fabrikauslastung und begrenzten Kapazitäten lässt sich mit einfachen Maschinenbelegungsplänen und klassischen Berechnungsmethoden nicht optimal lösen.
KI ist jedoch in der Lage, diesen gordischen Knoten mithilfe von Heuristiken und Metaheuristiken zu durchschlagen. Sie kann selbst schwierigste Optimierungsaufgaben bei jeder neuen Auftragseinlastung innerhalb von Sekunden effizient und automatisiert ausführen. Das Ergebnis: höhere Termintreue, gesteigerte Produktivität der gesamten Fabrik bei geringerem Planungsaufwand und niedrigeren Kosten für die Planungstools. Dadurch können sich heute auch mittelständische Unternehmen wie Sihl solche fortschrittlichen Tools leisten.

Den Weg ebnen: Daten konsolidieren
Doch bevor das neue, KI-gestützte PP/DS-System in Betrieb genommen werden konnte, stand bei Sihl ein Einführungsprojekt an, das einige essenzielle Vorarbeiten erforderte. Dabei ging es nicht darum, eine KI-Inferenzlogik anzulernen. Vielmehr waren viele der umzusetzenden Maßnahmen notwendig, weil das bisherige PP/DS-System nur einen eingeschränkten Funktionsumfang bot. Bei dem mittelständischen Unternehmen waren im Laufe der Jahre zahlreiche Subsysteme und Insellösungen entstanden, die separat gepflegt wurden. Um eine ganzheitlich integrierte Planung zu ermöglichen, galt es, die Daten aus diesen Systemen zusammenzuführen.
Die drei Produktionsbereiche – Lackherstellung, Großrollenbeschichtung und anschließendes Converting, also der Prozess der Weiterverarbeitung der Großrollen zu bestellbaren Kundenprodukten – hatten im Laufe der Zeit eigene Produktionsprogramme entwickelt. Es gab Excel-Tabellen mit Zusatzinformationen zu einzelnen Arbeitsaufträgen, und die Lackiererei hatte sogar ein Abfragetool in Access erstellt, um die in der Betriebsdatenerfassung (BDE) vorliegenden Arbeitsaufträge aus dem PP/DS-System besser orchestrieren zu können. Die Folge: In jedem System – vom PP/DS über BDE bis hin zu den Access- und Excel-Lösungen – existierten unterschiedliche Auftrags-, Termin- und Bearbeitungsstände. Entsprechend aufwendig waren die kritischen Abstimmungen, um alle Bereiche auf den gleichen Stand zu bringen.

Insellösungen auflösen
Überdies agierte die Lackherstellung im Wesentlichen als Zulieferbereich für die Großrollenbeschichtung, wobei die Bedarfe in der Lackherstellung fast wie in einem eigenständigen Betrieb geplant wurden. Durch die sequenzielle Einzelabstimmung dieser beiden Produktionsbereiche fehlte auf der Ebene der PP/DS-Planung – die eigentlich die Vorgaben machen sollte – die Transparenz über den aktuellen Stand.
Im Rahmen der Einführung des neuen PP/DS-Systems wurde daher viel Arbeit in die Definition von bereichsübergreifenden Standards und Arbeitsplänen gesteckt, die nun transparent zur Verfügung stehen, um über die gesamte Supply Chain integriert planen zu können. Auch die Stammdaten des ERP-Systems mussten einer Optimierung unterzogen werden, um alle Planungsparameter optimal einzustellen.

Schrittweise Einführung von DISKOVER PP/DS bei Sihl
Ende 2023 konnte das neue PP/DS-System in den neun Anlagen zur Verarbeitung von Großrollen erfolgreich in Betrieb genommen werden. Seit Anfang 2024 ist Sihl dabei, das Converting zu integrieren. Hier geht es um das Schneiden der Großrollen in die vom Kunden bestellten Zuschnitte von Groß- und Kleinrollen bis hin zu Bogenformaten. Im nächsten Schritt folgt dann die Einführung des Systems in der Lackherstellung.
Das hausintern individuell auf die Bedürfnisse von Sihl zugeschnittene System zur Betriebsdatenerfassung (BDE) namens Promas-BDE blieb erhalten, da die wesentlichen Vorgaben im neuen PP/DS-System bereits berücksichtigt sind. So wurde es möglich, dass das neue PP/DS-System kontinuierlich die konkreten Arbeitsaufträge in der gesamt betrieblich optimierten Reihenfolge in das BDE-System schreibt. Dieses stellt sie dann – vorbehaltlich der noch individuell möglichen Eingriffe des Werkmeisters bzw. Maschinenführers – an jeder Maschine bereit, erfasst die reale Abarbeitung und spiegelt diese an das PP/DS-System zurück. Die Access- und Excel-Lösungen enthalten nur noch die konkreten Arbeitsanweisungen zum Auftrag. Im PP/DS-System sind dagegen alle Planungselemente als Parameter hinterlegt.

Wie Sihl DISKOVER nutzt – und vice versa
Der auf Knopfdruck aktualisierte Produktionsplan wird auch an alle anderen relevanten Systeme verteilt und dort angezeigt. So lässt sich ein hoher, integrierter Digitalisierungsgrad auf allen Plattformen erreichen.
Neu ist bei Sihl zudem die Multiressourcenplanung. Es wird also nicht nur eine Reihenfolge auf den Maschinen geplant, die rüstoptimal ist. Vielmehr kommt auch eine Verfügbarkeitsplanung zum Einsatz. Das heißt, es wird gleichzeitig geprüft, ob alle Komponenten- und Personalressourcen verfügbar sind, um sicherzustellen, dass alle notwendigen Rahmenbedingungen für den Fertigungsauftrag gegeben sind. Dadurch lassen sich Maschinenstillstände noch besser vermeiden. Zu diesem Zweck wurde bei Sihl auch die Arbeitsplanverwaltung in das PP/DS-System integriert. Eine solche Simultanplanung ist deutlich komplexer als die traditionelle Maschinenbelegungs- und Reihenfolgeplanung, resultiert dafür jedoch in einer umfassenderen und effizienteren Produktionssteuerung.
Um alle relevanten Rahmenbedingungen integriert planen zu können, unterstützt das PP/DS-System auch Rüstmatrixstrukturen. Diese Funktion erlaubt es, Zeiten und Kosten für das Umrüsten der Maschinen bei jeder Planung automatisch auf Basis ganzheitlicher Optimierungserwägungen zu berücksichtigen. So profitiert Sihl von einer höheren Liefertreue bei minimierten Betriebskosten und hat zugleich auch eine deutlich höhere Reaktionsfähigkeit auf Veränderungen. Die daraus resultierende Agilität macht sich bereits bezahlt.
„Dank DISKOVER sind wir heute deutlich besser aufgestellt als früher”, erklärt Stahr. „Zum einen haben wir eine bisher nicht gekannte Datentransparenz erreicht. So können wir Verzögerungen oder manuelle Änderungen in den Produktionsplänen visuell viel einfacher sehen und integrierter planen. Zum anderen sind wir jetzt in der Lage, auf extrem dynamische Situationen – wie bei Corona, mit Personalausfällen und sehr fragilen Lieferketten – höchst agil zu reagieren. Darüber hinaus sehen wir einen großen Vorteil darin, dass das System uns insgesamt viel Flexibilität und Offenheit bietet.” So lässt sich z. B. das Reporting flexibel mit kundenspezifisch definierten Feldern anpassen, und zahlreiche Plug-In-Schnittstellen ermöglichen es, kundenspezifische Berechnungen oder individuelle Rüstmatrizen zu berücksichtigen.
Neben dem DISKOVER PP/DS System ist bei Sihl auch schon seit mehreren Jahren das DISKOVER APS (Advanced Planning & Scheduling) System als Werkzeug für die tägliche Disposition im Einsatz. Die Lösungen von SCT bilden bei Sihl folglich die gesamte Supply Chain inklusive aller Wertschöpfungen zwischen den unterschiedlichen Fertigungsstufen ab. Dabei schätzt Stahr den problemlosen Einstieg in das neu eingeführte PP/DS-System. „Das PP/DS-Tool von SCT ist selbsterklärend. Man findet sich sofort zurecht unabhängig davon, ob man bereits das APS-Toll nutzt oder nicht.”
Wichtig war es Stahr zudem, dass das PP/DS effizient in das bestehende ERP-System gebunden werden kann. Dazu Stahr: „Das Andocken an unsere individuell angepasste Variante des ERP-Systems von SAP hat bei DISKOVER hervorragend funktioniert. DISKOVER PP/DS kann Daten sehr flexibel einbinden, was bei individuell konfigurierten ERP-Systemen sehr wichtig ist.“

Fazit
KI ersetzt weder eine sorgfältige Justierung von Entscheidungsparametern und Restriktionen noch strategische Entscheidungen, welche Zielfunktion schlussendlich verfolgt werden soll. Sind diese jedoch einmal gesetzt, können KI-gestützte PP/DS-Systeme nahezu unendlich mögliche Maschinenbelegungspläne anhand einer sorgfältig parametrierten, hochkomplexen Zielfunktion simultan bewertet. Bei Sihl werden beispielsweise in jedem Planungsvorgang mehrere 10.000 Lösungsoptionen verglichen, in einer Zeit, in der ein Mensch nur ein bis zwei Pläne berechnen könnte. Das Ergebnis ist eine deutlich schnellere Generierung deutlich besserer Pläne. Infolge hat das PP/DS-System die Qualität der Produktionsplanung bei Sihl deutlich verbessert und so zu mehr Durchsatz pro Zeiteinheit, besserer Termintreue und höherer Produktivität geführt.
So zieht Stahr eine positive Projekt-Bilanz: „Dank der KI-gestützten Maschinenbelegungsplanung kommen wir heute deutlich schneller zu besseren Ergebnissen als mit herkömmlichen Methoden. Zudem hat es sich für uns bewährt, dass PP/DS-Beratung und -Software aus einer Hand kommen. Und auch der Support von SCT funktioniert hervorragend. Bei Problemen oder Anregungen wird uns immer schnell und kompetent geholfen.”

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Simone Stahr

Teamleiterin Produktionsplanung bei Sihl

Simone Stahr fungierte als Co-Autorin für diesen Artikel.

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Robert Reineke