Das ABC/XYZ-Portfolio stellt sozusagen das kleine Blutbild der logistischen Situation eines Unternehmens dar. Wer es zu interpretieren versteht. der kann darin viele Ursachen logistischer Probleme in Unternehmen erkennen. Ein Problem. das die Portfolios vieler Unternehmen widerspiegelt. zeigt sich an der Zahl der Artikel im Verhältnis zum erreichten Lagerumsatz.
Es ist nicht ungewöhnlich. dass auf Lager produzierende Unternehmen mit ca. 20 bis 30 Prozent ihrer Fertigartikel 60 bis 80 Prozent ihres Lagerumsatzes erreichen. während am anderen Ende des Spektrums, bei den CZ-Artikeln, mit 40 bis 60 Prozent der Artikel nur 2 bis 3 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet werden. “Long tail” nennt man im Englischen diesen Rattenschwanz an Produkten, der praktisch keinen Umsatz. aber viel Bestand und Aufwand mit sich bringt. Ausgehend von 10 Jahren Erfahrung in der Unternehmenssanierung würde ich diesen Rattenschwanz eher als Zündschnur bezeichnen. der ein gesamtes Produktportfolio und mit ihm ein gesamtes Unternehmen zur Explosion bringen kann. Der Aufwand, diese Rattenschwanz-Zündschnur zu fertigen, ist oft genauso hoch. wie derjenige für die gesamten AB/XY-Artikel.
Gehören Sie auch zu den Produktionsmanagern und Supply Chain-Managern, die vom jahrelangen Kampf gegen die Rattenschwanz-Zündschnur gezeichnet sind? Dann lassen Sie uns gemeinsam hoffen, denn vielleicht naht in den nächsten Jahren Linderung in Form der Additiven Fertigung. Die Technologie schreitet von Jahr zu Jahr in enormen Schritten voran, nachdem man sie für viele Jahre lediglich zum Rapid Prototyping von Bauteilen eingesetzt hat. Inzwischen gibt es immer mehr produktive Anwendungen. Flugzeuge enthalten Bauteile, die mittels additiver Fertigung hergestellt wurden. in der Automobilindustrie kommen sie Zunehmend zur Anwendung; von Jahr zu Jahr wird das Anwendungsspektrum breiter und die Zahl der verarbeitbaren Werkstoffe wächst.
Neben fertigungstechnischen und konstruktiven Vorteilen, wie werkzeugloser Fertigung und der Möglichkeit, extrem leichte Komponenten herzustellen, ist die Additive Fertigung sehr gut für kleine Losgrößen geeignet und ermöglicht es, Durchlaufzeiten deutlich zu reduzieren, da Bauteile in einem Prozessschritt hergestellt werden können und nicht mehrere Fertigungsstufen und mehrere Warteschlangen vor den Fertigungsstufen durchlaufen müssen. Kurze Wiederbeschaffungszeiten? Kleine Losgrößen? Genau das ist es, was wir für diese Sammlung an logistischem Kleinvieh benötigen! So visionär ist die Erkenntnis nicht mehr: Die Additive Fertigung stellt das ideale Mittel dar, um die Zündschnur an den Produktportfolios unserer Unternehmen zu entfernen. Statt all diese sporadisch und in kleinen Mengen nachgefragten Produkte aus dem CZ-Portfolio in immer zu großen Losen zu fertigen und immer für zu lange Zeit auf Lager zu legen, dürfte sich in den nächsten Jahren für zahllose Unternehmen die Chance eröffnen, viele dieser CZ-Teile bedarfssynchron bereitzustellen und nicht mehr prophylaktisch auf Lager zu legen. Für Teile, bei denen große Fertigungslose zügig aus dem Lager abfließen, mag die Additive Fertigung aus logistischer und wirtschaftlicher Sicht zu teuer sein, doch für all die Exoten in unseren Produktportfolios könnte sie sich schnell zu einem wirtschaftlichen Segen entwickeln. Bestände lassen sich einsparen, Kapitalbildung wird verringert, der Planungs- und Dispositionsaufwand wird deutlich kleiner. Komplexität und Aufwand werden sich reduzieren und somit wird die Additive Fertigung zu “subtraktiver” Logistik führen. Zumindest dann, wenn die 3D-Druckstationen nah beim Abnehmer stehen. Dies wiederum führt zu vollkommen neuen Logistik- und Bereitstellungsanforderungen: So beispielsweise durch Lizenzierung, die das Thema Lieferbereitschaft um eine nicht triviale technologische Komponente erweitert, die auch vollkommen neue Geschäftsprozesse erfordern kann. Ein spannender Wandel vollzieht sich hier, den es jetzt zu gestalten gilt!
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