Um die Arbeitsproduktivität in unseren Unternehmen ist es schlecht bestellt. Das war bereits vor der Wirtschaftskrise seit langem so. Anfang der 90er Jahre stieg die Arbeitsproduktivität noch um 2% pro Jahr. In den vergangenen Jahren waren es nur noch 0,6%. Erste Zahlen von 2018 und 2019 deuten sogar auf einen Rückgang hin. Unabhängig von Corona kämpfen große Teile der deutschen Wirtschaft mit Produktivitätsproblemen; die Krise hat es bei den einen noch schlimmer gemacht, während sie bei den anderen, glücklichen, durch Nachfragesteigerungen die Produktivitätsdefizite kaschiert hat. Nach der Krise wird das Grundproblem der geringen Arbeitsproduktivität wieder in den Vordergrund treten.
Die geringe Steigerung der Arbeitsproduktivität hängt damit zusammen, dass inzwischen ein Großteil der Mitarbeiter unserer Unternehmen, auch den Produktionsunternehmen, in administrativen Bereichen arbeiten. Die Produktivität in den administrativen Bereichen ist nach anfänglichen deutlichen Erfolgen nur noch schwach gestiegen. Routineaufgaben waren schnell automatisiert, danach wurde es zäh.
Mich interessieren in diesem Zusammenhang vor allem die Planung- und Steuerungsprozesse im Supply Chain Management. Hier sieht das Bild in der breiten Masse der Unternehmen sehr düster aus. Man hat in den vergangenen Jahren mit ERP-Systemen, AddOn-Systemen und weiteren tollen Softwareideen zwar aufgerüstet. Selbst in kleinen Betreiben wurde längst von der Rikscha des manuellen Disponierens auf den 26-Gang-LKW moderner Dispositions- und AddOn-Systeme umgestellt. Aber statt der alten Rikscha ziehen die Anwender heute den Dispositions-LKW; geplant und disponiert wird immer noch zu viel mit der Hand am Arm. Wir werden im Supply Chain Management die Arbeitsproduktivität nur steigern können, wenn wir endlich zu mehr Automatisierung und weniger manuellem Eingreifen in die Planungs- und Steuerungsprozesse kommen.
Wir stehen vor einer neuen Rationalisierungsphase in der Wirtschaft. Um im globalen Wettbewerb mitzuhalten, müssen wir mit weniger Verwaltungspersonal mehr leisten und um dem demografischen Wandel zu begegnen, ist die Rationalisierung ebenfalls erforderlich. In manchen Unternehmen fehlen dazu noch digitale Voraussetzungen, in manchen nur der Mut mehr zu wagen. In allen Fällen fehlt es am Mindset und der Aufbruchsstimmung. Vielleicht kam die Coronakrise gerade recht, um uns aus der Lethargie zu reißen…
Beste Grüße und bleiben Sie gesund
Ihr Andreas Kemmner
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