Produkt- und Variantenvielfalt bestimmen das Geschäft in der deutschen Backwarenindustrie. Das kundenorientierte Großsortiment frisst die Erträge auf, wenn man das Produktportfolio nicht regelmäßig analysiert und optimiert. Kronenbrot startete 1865 als kleine Landbäckerei. Der Erfolg des in fünfter Generation geführten Familienunternehmens basiert auf Tradition und ständiger Innovation. Was Franz Joseph Mainz als Gründer in Würselen bei Aachen begann, stellte sein Enkel Franz 1915 unter dem Namen Kronenbrot auf ein zukunftsweisendes Fundament.

Heute zählt das Unternehmen zu den modernsten Großbäckereien: An den Standorten Würselen bei Aachen, Köln und Witten entstehen Backwaren für Nordrhein-Westfalen (NRW), Rheinland-Pfalz, Belgien und die Niederlande. Kronenbrot ist heute der führende Anbieter für Brot- und Backwaren in NRW. Rund 3.000 Lebensmittelhändler und Großverbraucher werden täglich mit frischen Backwaren beliefert.

Ständig neue Innovationen bereichern das Backwarensortiment für den Markt: Neben Brot Toast und Brötchen, Kuchen, Teilchen und Stollen gehören auch europäische Spezialitäten wie Ciabatta und Ciabatta-Brötchen, Fladenbrot, Baguette, Baguette-Brötchen, Brioche und Croissant zum Kronenbrot-Sortiment.

Kronenbrot verzichtet als eine der ersten Bäckereien bereits seit mehr als einem Jahrzehnt auf die Verwendung von Konservierungsstoffen. Dies ist möglich, da die Lebensmittelgeschäfte in den frühen Morgenstunden mit ofenfrischem Brot direkt aus dem Backofen beliefert werden.

Für Kronenbrot ist unter diesem Frischeaspekt ein Fertigwarenlager zum Abfedern der schwankenden Marktnachfrage gegenüber der Produktion unmöglich: Die Ware von gestern ist heute nicht mehr zu verkaufen. Täglich müssen etwa 600 Artikel synchron zur Marktnachfrage produziert und gebacken werden. Liefer- und Produktionslosgrößen entsprechen teilweise nur noch Kleinstmengen, deren Produktionsverhältnisse mit einer Großbäckerei wenig zu tun haben. Wie bei den meisten Unternehmen üblich, zeigte sich, dass auch im Werk Würselen mit 20 % der Artikel gut planbare AB-XY-Artikel rund 80 % der Umsätze erwirtschaftet werden. Dem steht eine Gruppe von über 25 % der Artikel (nicht prognostizierbare CZ2-Artikel) gegenüber, die zusammen weniger als 5% des Umsatzes erwirtschaften. Diese Variantenvielfalt bei geringen Losgrößen erhöht die mit der Handhabung der Kleinmengen verbundenen Prozesskosten. Hier besteht die Gefahr, dass bestimmte Artikel nicht mehr wirtschaftlich gefertigt werden können.

Im Rahmen eines Projektes zur Potentialanalyse des Werkes Würselen wurde deshalb das Produkt-Portfolio einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Kronenbrot KG beauftragte dazu Abels & Kemmner. Als Ziel war das aktuelle Produktsortiment unter betriebswirtschaftlichen wie vertrieblichen Aspekten zu straffen.

Aus logistischer Sicht ist Variantenvielfalt zu vermeiden. Ist sie aber vorhanden, gilt es zu prüfen, ob und wie man sie abbauen kann.

Um an der richtigen Stelle anzusetzen, analysiert man die Deckungsbeiträge der Artikel, sowohl nach absoluten Werten wie nach Stückdeckungsbeiträgen. Je nach vertrieblichen Möglichkeiten sollten dabei Artikel mit negativen Deckungsbeiträgen

  • in ihren Deckungsbeiträgen verbessert werden,
  • gestrichen werden,
  • auslaufen,
  • durch deckungsbeitragsstärkere Ersatzprodukte ersetzt werden oder
  • fremd beschafft werden.

Bei diesen Artikeln legt man bei jedem produzierten Stück noch Geld dazu.

Lagermöglichkeiten bringen besondere Problememit sich. Hier ist eine Ablösung des Artikels sinnvoller als seine Kostenoptimierung. Negative Deckungsbeiträge fanden sich in der Analyse auch bei umsatzstarken Artikeln. Hier sind die Handlungsalternativen jedoch eingeschränkter. Produkte dieser Art können nur in ihren Deckungsbeiträgen verbessert werden, oder durch deckungsbeitragsstärkere Ersatzprodukte ersetzt werden. Fremdbeschaffung, Streichung oder das Auslaufen lassen würden zwangsläufig zu großen Einschnitten im Unternehmen führen.

Nachfrage-Charakteristik (XYZ) im Verhältnis zu den negativen Deckungsbeiträgen (-ABC)
Nachfrage-Charakteristik (XYZ) im Verhältnis zu den negativen Deckungsbeiträgen (-ABC)

Mit den richtigen Zahlen rechnen

Die Deckungsbeitragsanalyse setzt eine differenzierte Kostenrechnung voraus, um richtige Deckungsbeiträge zu berechnen und die Ursache negativer Deckungsbeiträge aufzudecken. In vielen Fällen müssen die Deckungsbeiträge erst richtig errechnet werden, das gilt auch für die Daten der ABC-XYZ-Analysen.

Ersatzprodukt als Handlungsalternative erfordert bei Kronenbrot nicht zwangsläufig andere Rezepturen. Zuweilen genügt es, Verpackungen zu vereinheitlichen oder Verpackungsvarianten auf einfachere Weise zu realisieren. Durch Straffung marginaler Varianten kann ein positiver Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden.

Dort, wo auf Endprodukte bzw. Endproduktvarianten nicht verzichtet werden kann, muss versucht werden, die Artikelvielfalt auf vorgelagerten Fertigungsebenen zu verringern. Dazu standardisiert man Baugruppen. Die aus der Automobilindustrie bekannte “Plattformstrategie” verfolgt genau dieses Ziel, aus wenigen Baugruppen eine große Variantenvielfalt zu fertigen. Bei der Herstellung von Backwaren lässt sich diese Strategie schwerer verfolgen bzw. hat dort wo sie möglich ist wie beispielsweise bei Obstplunder, bereits zu großer Variantenvielfalt geführt.

Letztlich muss also die verbleibende Variantenvielfalt mit negativem Deckungsbeitrag in der Produktion weiter optimiert werden. Strategische Hebel sind bei Kronenbrot hierfür z.B. spezielle Backlinien für Kleinmengen, die stets weiter optimiert werden.

Ausblick

Kaufgewohnheiten verändern sich zunehmend, auch unter dem Einfluss neuer Produktideen von Kronenbrot. Die Optimierung des Produktportfolios ist für Backwaren eine Aufgabe, die mindestens jährlich durchgeführt werden sollte. Um die Portfolio-Optimierung zukünftig systematisch durchführen zu können, steht nun an, die erforderliche Datenselektion, -aufbereitung und -verarbeitung stärker zu automatisieren. Kronenbrot trägt als traditionsreiches Familienunternehmen seinen Mitarbeitern gegenüber eine besondere Verantwortung. Unter diesem Aspekt ist die Produktportfolio-Optimierung ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Arbeitsplätze im wachsenden Wettbewerb.

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Dr. Bernd Reineke