Wie der Textilfabrikant Anita alle Produkte binnen 24 Stunden liefert, ohne dass das Fertigwarenlager explodiert:
Wer ein variantenreiches Angebot im Einzelhandel positioniert, weil es beratungsintensiv ist, muss zu 100% lieferbereit sein und binnen 24 Stunden liefern können. Die Gefahr ist jedoch, dass die Bestände explodieren. Vollautomatisch anwendbare Dispositionsmanagementsysteme wie DISKOVER helfen Unternehmen dabei, die Bestände im Zaum zu halten.
Anita – Hersteller von Unterwäsche und Bademode mit perfekter Passform und Funktion sowie bezaubernder Ästhetik – hat sich das Ziel gesetzt, seine Miederwaren jederzeit binnen 24 Stunden egal in welcher Größe liefern zu können, sodass sowohl der Wäsche-Fachhandel wie auch größere Retail-Ketten ihre Lagerhaltung zum Hersteller verlegen können. Das Ziel ist, das komplexe Warensortiment bestmöglich einzelhandelsfähig zu halten, die Kapitalbindung beim Händler zu minimieren und das Angebotsportfolio in den Shops höchst agil anpassbar zu machen. Kommt eine Bestellung vormittags rein, ist sie bei solchen Never-out-of-Stock Artikeln garantiert am nächsten Tag auf der Ladentheke des Handels. Dieser Service ist für Wäscheartikel wie BHs immens wichtig, da der Fachhandel mit seiner hohen Beratungskompetenz der führende Channel für Anitas Absatz ist. Dieser braucht die perfekten Services für die perfekte Passform, sollte sie aktuell nicht im Laden vorrätig sein. Es ist für den einzelnen Händler – egal welcher Größe – schließlich kaum darstellbar, jedwede Variante bevorraten zu können, denn es gibt bei einem einzigen BH-Modell aufgrund unterschiedlicher Größen und Cups bis zu 80 unterschiedliche Zuschnitte. Hat dieses Modell beispielsweise 5 Farben, müsste der Handel 400 Artikel (SKUs /Stock Keeping Units) eines einzigen Modells im Lager bevorraten.
Lagerhaltung im Einzelhandel unmöglich
So viele Varianten kann ein Fachgeschäft des Einzelhandels schlicht und ergreifend nicht bevorraten. Auch kann ein einziger Händler sie niemals derart exakt disponieren, wenn er BHs beispielsweise quartalsweise/saisonal beschafft und am Ende der Periode alle Bestände jedweder Größe auch verkauft haben will. Eine solche 100%ig passende Disposition wird nämlich selbst bei kaum variantenreichen Oberbekleidungsstücken wie T-Shirts, Blusen oder Pullover nicht erreicht – und hier spricht man bei Konfektionsgrößen wie S, M, X, L und XL bis 3XL gerade mal von 8 Varianten. Selbst hier sind zum Ende der Periode gewisse Größen garantiert immer vergriffen. Händler von Anita-Ware müssten jedoch um den Faktor 10 genauer disponieren! Und wohlgemerkt: Bei den 400 SKUs wird nur ein einziges Modell betrachtet. Über das gesamte Portfolio der Miederwaren hinweg hat Anita über 25.000 SKUs. Die wegen des Anspruchs der perfekten Passform hoch ausdifferenzierten Modellvarianten kann der Einzelhandel also nur anbieten, wenn Anita entsprechend hohe Lieferbereitschaft bietet, nicht vor Ort vorrätige SKUs schnell liefert, denn die Kundin will nicht ewig auf ‚ihre‘ perfekt passende Ware warten. Für Anita bedeutet dies zwangsläufig, für seine SKUs eine Never-out-of-Stock Strategie fahren zu müssen, damit der Einzelhandel auch entsprechende Services bieten kann.
Herausfordernde Dispositionsaufgabe
Dies wiederum stellt das Dispoteam von Anita vor große Herausforderungen, denn auch bei Anita soll die Ware so disponiert sein, dass die Lagerbestände nicht zu groß werden. Insgesamt 17.000 Produkte hat Anita auf seine Never-out-of-Stock Liste gesetzt, da ihr herausragender USP nun mal die perfekte Passform ist. Nahezu das gesamte Miederwaren-Produktportfolio ist davon betroffen. Wöchentlich wird entschieden, welche Produkte zur Produktion anstehen, damit immer hinreichend Fertigware von jeder SKU auf Lager ist, was kein leichtes Unterfangen ist. Unterstützt wird Anita deshalb von einem Dispositionsmanagementsystem, das speziell für das Handling solch großer Artikelstämme geschaffen wurde und Produkte nach vielzähligen Sachmerkmalen gruppieren kann wie Farben, BH-Größen und Cups. Es schlägt jede Woche die neu zu produzierenden Miederwaren als Planbedarfe vor. Dies erfolgt auf der Basis historischer Bestelldaten, die um aktuelle Auftragseingänge angereichert werden, die aus dem ERP-System gezogen werden, sowie den Daten der Absatzplanung aus dem saisonalen Vertrieb.
Diese werden bei Anita für neue Modelle noch im ERP-System entwickelt, auch wenn das zum Einsatz kommende Dispositionsmanagementsystem ebenfalls Module für die Absatzplanung des Vertriebs bietet. Hierzu hatte sich das Unternehmen vor Einführung des Dispomanagementsystems jedoch eigens eine Erweiterung programmieren lassen. Aktuell wird es auch nicht als notwendig erachtet, dies zu ändern, da Anita keine agilen Verkaufsprozesse hat, bei denen immer wieder mal Sonderaktionen eingeplant werden müssen. Es wird vielmehr in jeder Saison mit fixen Deadlines gearbeitet, wobei eine Verkaufssaison rund 5 Monate dauert: Der Vertreter stellt dem Handel die Muster neuer Produkte, die ab Juni zum Verkauf stehen, beispielsweise ab Januar vor. Wer diese bis zum Stichtag Ende April ordert, bekommt eine Liefergarantie zum Saisonstart inklusive der 24-Stunden-Nachlieferungsgarantie ab der ersten Chargenlieferung. Wenn der Kunde später ordert, wird er erst beim nächsten großen Fertigungslos berücksichtigt, das ab August verfügbar wird. Dies macht die Neuheitenplanung und Einspielung der Daten in das Dispositionsmanagementsystem vergleichsweise einfach und fördert zugleich das frühe Ordern des Handels.
90% der SKUs werden automatisch disponiert
Allerdings erreicht Anita bei der Einführung der Neuheiten, die rund 10% aller SKUs ausmachen, eine nicht so hohe Planungsgenauigkeit und damit Lieferbereitschaft bei Saisonstart, wie bei den eingeführten Produkten, die über das Dispositionsmanagementsystem geplant werden. Es wäre zwar zu beweisen, ob das vollständig automatisiert Bedarfe ermittelnde Dispositionsmanagementsystem auch die Neuheiten besser disponieren könnte als die Erweiterungsfunktionen des ERP-Systems. Nachweislich bietet es aber einen deutlich höheren Funktionsumfang und dieser stellt bei Anita sicher, dass die Never-out-of-Stock Strategie mit geringstmöglichem Planungsaufwand und höchster Präzision erfüllt wird. Höchste Präzision bedeutet hier, dass die Bestände trotz schwankender Nachfrage sehr gering gehalten werden. Über alle SKUs hinweg – also auch für die wirklich extrem selten nachgefragten Exoten erreicht Anita 95% Lieferbereitschaft. Das sind also 16.150 Artikel, die jederzeit am nächsten Tag ausgeliefert werden können. Bei den in der Bevölkerung am häufigsten auftretenden Kerngrößen erreicht Anita noch mehr – nämlich annähernd 100%. Diese hohe Dispositionsgenauigkeit ist für Anita immens wichtig, weshalb sich der Miederwarenhersteller auch für eines der leistungsfähigsten Dispositionsmanagementtools am Markt entschieden hat: DISKOVER von SCT.
Was gefertigt wird, ist für Anita aber nicht nur eine Frage der Vorschläge aus dem Dispositionsmanagementsystem, denn auch die Fertigungskosten spielen für Anita eine nicht unerhebliche Rolle. Es ist nicht möglich, Losgröße 1 zu fahren, auch wenn dies dispositiv die niedrigsten Fertigwarenbestände produzieren würde. Vielmehr entscheidet Anita über Fertigungslose auf Basis der Stoffe, die zum Zuschnitt aufgelegt werden müssen, sodass schlussendlich die Farbpalette der Modelle die Fertigung taktet. Ist diese definiert, wird auf Basis der Planprimärbedarfe des Dispositionsmanagementsystems der Zuschnitt der Stoffe geplant, woraus sich infolge dann der SKU-übergreifende Wiederbeschaffungsbedarf für Stoffe, Bänder und weitere Bestandteile eines BHs ergibt. Schließlich macht es einen Unterschied, ob man in der aktuellen Woche Produkte eher kleinerer oder größerer Körbchengröße produzieren muss. Limitierende Faktoren für eine Fertigung in Losgröße 1 sind folglich die Materialhandlings- und Produktionsprozesse sowie die einzuhaltende hohe Materialeffizenz, die immer eine gewisse Über- oder Unterproduktion erfordert, wenn das aufgelegte Material beim Zuschnitt vollständig und minimaler Materialverwertung verwertet werden soll.
Sicher ist sicher
Um wirklich Never-out-of-Stock gewährleisten zu können, disponiert Anita die Kern- und Sternartikel zudem mit einem Sicherheitsbestandsfaktor, der um 20 bis 50% höher angesetzt wird als bei Standardartikeln, um bei diesen Schnelldrehern immer lieferbereit zu sein. Hier investiert Anita also auch in den Lagerbestand, um jeden Ausreißer bei der Nachfrage sicher abfangen zu können. Diese Artikel sind aber auch sichere Bänke, sodass sich dies auch lohnt. Es zeigt sich also, dass ein Dispositionsmanagementsystem viel Arbeit abnehmen kann. Ohne eine operativ effiziente Einbettung in die Prozessabläufe der Fertigung sowie eine übergeordnete Lieferbereitschaftsstrategie können sie nicht die zum Unternehmen passenden Ergebnisse liefern. Sind diese Eckdaten und Schnittstellen in perfekter Passform ausgelegt und alle Dispositionsparameter optimiert, werden die gewünschten Ziele nahezu zu 100% erreicht und dies bei höchstmöglichen Automatisierungsgrad des Dispositionsprozesses. Die Dispositionsparameteroptimierung ist bei der Einführung von Dispositionsmanagementsystemen übrigens extrem wichtig, um das Ziel der maximalen Lieferbereitschaft bei minimalen Beständen erreichen zu können. Ein Tool bekommt das nicht automatisch hin. Wird es jedoch im Rahmen eines Einführungsprojekts auf die zu erreichenden Ziele hin feinjustiert, trägt der danach mögliche hohe Automatisierungsgrad zur weiteren Effizienzsteigerung bei. Hier hat Anita noch nicht das gesamte Potenzial ausgeschöpft. Wichtiger ist Anita jedoch, die bislang erzielten Erfolge nun im asiatischen Zuschnittwerk in Thailand zu multiplizieren, indem man auch hier plant, DISKOVER in Kürze einzuführen. Hier ist der Lagerumschlag nämlich noch um rund 50 Prozent niedriger und auch die Lieferbereitschaft könnte ebenfalls noch verbessert werden.
Was nutzt die Erfahrung von Anita anderen Herstellern? Anita ist ein Paradebeispiel dafür, dass man extrem hohe Lieferbereitschaft erreichen kann bei extrem kurzen Lieferzeiten zum Kunden, selbst wenn das Portfolio extrem breit ist, die Materialbeschaffung und Fertigung lange dauern und die reale Nachfrage des einzelnen Channels eigentlich unberechenbar ist. Jeder Hersteller, der längere Lieferzeiten als „jetzt sofort“ hat, kann sich von Anita eine Scheibe abschneiden – ganz gleich ob B2B oder B2C oder ob im stationären oder Online-Handel!
Corona-Effekt 1: Channelerweiterung
Coronabedingt ist Anita seit rund einem Jahr auch im B2C-Bereich tätig. ‚Retail-first‘ ist jedoch weiterhin die Strategie. Erkannt wurde jedoch, dass die Sport- sowie die Maternity-Kollektionen im Web vergleichsweise stärker nachgefragt wurden als im klassischen Einzelhandel. Junge Frauen und werdende Mütter gelangten immer öfter über Suchmaschinen in den neuen Shop von Anita. Eine Überlegung könnte demnach auch sein, diese Sparten noch passgenauer im Einzelhandel zu positionieren.
Corona-Effekt 2: Veränderung der Nachfrage
Anita hat generell den Vorteil, dass sich die Nachfrageverteilung von Modell zu Modell kaum innerhalb der jeweiligen SKUs eines Modells verschiebt, da der Körperbau der Kundschaft sich nicht über Nacht radikal verändert – auch nicht durch Corona. Der Corona-Effekt hat jedoch dazu geführt, dass sich die Nachfrage von geschnittenen und vernähten BHs hin zu der bequemeren Freizeitwäsche mit nahtlosem Rundstrick verschoben hat, sodass man der Nachfrage in diesem Segment teils nicht mehr vollständig nachkommen konnte, auch aufgrund von Lieferengpässen.