von Dr. Götz-Andreas Kemmner und Alois Fuchs
Konkurse sind der unternehmerische GAU. Die Faktoren, die zu Insolvenzen führen, sind in vielen Unternehmen vorzufinden. Aus diesem Grunde ist es hilfreich, die Fehlerquellen von insolvent gegangenen Unternehmen zu kennen und im eigenen Betrieb zu überprüfen, ob sich nicht auch hier ähnliche Fehler eingeschlichen haben. Der im vergangenen Jahr mit der Semecs-Gruppe in Insolvenz gegangene Leiterplattenbestücker Semecs, Neunkirchen, der heute unter dem Namen Neways-Neunkirchen in der niederländischen Neways-Unternehmensgruppe erfolgreich am Markt agiert, zeigt einige der häufigen Wachstumsfehler im Unternehmensalltag auf.
Als einer der Hauptgründe für die Insolvenz der niederländischen Semecs Gruppe ist die vorwiegend auf Expansion ausgelegte Planung zu nennen, die unangemessen hohe, schwer reduzierbare Fixkosten produzierte. Als der Umsatz wegen des schwachen Telekommunikationsmarktes nicht wie erwartet weiter stieg, sondern einbrach, traf es auch Semecs Neunkirchen, das seine Produktionskapazitäten bereits ausgeweitet hatte. Der Versuch ein deutsches Werk zu schließen und dessen Produktion auf die anderen Werke zu verteilen, konnte nicht umgesetzt werden. Viel zu spät erkannte die Unternehmensführung, dass man die Schließungskosten nicht finanzieren konnte. Kostenanpassungen waren nicht mehr rechtzeitig durchzuführen oder zu teuer. Es folgte eine nicht mehr aufzuhaltende Kettenreaktion über die Konzernumlagen.
Dieser Fehler kann jedem unterlaufen, der seine Zahlen aus dem Bauch heraus plant, Entwicklungen der Vergangenheit in die Zukunft fortschreibt, ohne auf Lebenszyklen von Produkten und Märkten zu achten oder der vergisst, dass der Abbau von Fixkosten zuerst einmal zusätzliche Kosten verursacht. Aber selbst bei der Berücksichtigung dieser Faktoren, sollte man in Wachstumsphasen auf die eigene Flexibilität achten, den Grenzbeschäftigungsgrad möglichst niedrig halten und Wachstum vorsichtig und mit belastbaren Zahlen planen.
Vorsichtig und belastbar planen
gilt also nicht nur für Sanierungsfälle, die von potentiellen Investoren besonders scharf unter die Lupe genommen werden, sondern auch für Investorengespräche im normalen Geschäftsalltag und für Verhandlungen mit Banken. Aus dieser Sichtweise relativiert sich auch das Unken mancher Unternehmer über das Gebaren Ihrer Banken. Wer einen plausiblen und mit belastbaren Zahlen unterlegten Geschäftsplan vorlegt, der bekommt auch heute noch Finanzmittel zur Verfügung gestellt.
Verständlicherweise finden in solchen Fällen Erfolgsrechnungen, die kurzfristig zu Erträgen führen mehr Akzeptanz, als Planungsszenarien, die erst nach Jahren Gewinn versprechen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Sanierungsfällen Gespräche mit neuen Investoren und den Banken nur Sinn machen, wenn eine “schwarze Null” im ersten Geschäftsjahr das Ergebnis einer konservativen Planung ist.
Im Auftrag des Insolvenzverwalters erstellte das beratungsunternehmen Abels & Kemmner für eine Semecs-Fortführungsgesellschaft in NEUNKIRCHEN EINEN Geschäftsplan, der auf den existierenden Geschäftsbeziehungen und der Vertriebsplanung aufbaute. Die Zahlen wurden bewertet und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts nach gewichtet. Die Umsatzplanung, wie der komplette Geschäftsplan, wurde investorenneutral erstellt und diente den potentiellen Investoren als Planungsgrundlage, die diese selbständig oder mit unserer Unterstützung auf Ihre Belange anpassten. Wie in fast jedem Restrukturierungsfall wurden von uns auch hier die Planumsätze konservativ und mit belegbaren Fakten angesetzt und mit einem Sicherheitsabschlag von ca.10% versehen, um das Zahlenwerk möglichst belastbar zu machen. Dieses konservative Planungsvorgehen hat sich in der Vergangenheit bewährt und selbst wenn die Umsatzentwicklung positiver ausfällt, ist es in den wenigsten Fällen ein Problem, dieses Potenzial auch umzusetzen. Darüber hinaus trägt dieses Vorgehen dazu bei, den Grenzbeschäftigungsgrad gering zu halten; das hoffentlich vorhandene Umsatzwachstum gegenüber der Planung muss dann zuerst einmal mithilfe von Massnahmen zur Steigerung der Produktivität bewältigt werden.
Kernkompetenz herausarbeiten
Bei Semecs Neunkirchen wurde die operative Planung auf bestehenden Kundenbeziehungen. Hieraus ergab sich ein Kundenportfolio mit hinreichendem Branchenmix (Automotive, Industrie und Telekommunikation), sodass auch für die Zukunft keine gravierenden Abhängigkeiten von einzelnen Branchen mehr zu befürchten sind. Der Überhang an Kunden aus dem Telekommunikationssektor sollte nicht noch einmal dem Unternehmen den Hals brechen. Darüber hinaus verfügte Semecs Neunkirchen über eine gewisse Technologieführerschaft bei der Bestückung von flexiblen Leiterplatten, einem Marktsegment, das Wachstum aufweist und nicht von jedem Leiterplattenbestücker beherrscht wird. Im neuen Verbund der Neways-Gruppe, zu der das Unternehmen nun unter der Firma Neways Neunkirchen gehört, soll dieser Bereich in Zukunft unter konservativen Planungsansätzen weiter ausgebaut werden. Die weitere Planung sieht vor, den weniger lukrativen, weil personalkostenintensiven reinen Handbestückungsanteil im Seriengeschäft weiter zurückzufahren bzw, durch Kooperationen mit weniger technologisch orientierten Lohnbestückern auszulagern.
Wertschöpfung pro Mitarbeiter beachten
Die für die Erfüllung der Umsatzplandaten einzusetzenden Ressourcen ließen sich relativ schnell über die Kennzahl “Wertschöpfung pro Kopf” ermitteln und als Größe für ein Benchmarking heranziehen. Aus dem Umsatz abzüglich der Materialkosten wurde die Wertschöpfung ermittelt. Für die Berechnung der Umsatzplanzahlen legte das Sanierungsteam die realistisch zu erzielenden Aufträge zugrunde. Hieraus ergab sich die Forderung, den Personalstand zu reduzieren. Entscheidungskriterien für diesen drastischen Einschnitt, sowie die Entscheidung selbst, wurden vom Betriebsrat mitgetragen, da man auch von Seiten der Belegschaft erkannte, dass der Fortbestand des Betriebsstandortes nur so möglich war. Um das Ziel 56% Personalkostenreduzierung zu erreichen,. mussten auch Führungspositionen abgebaut werden. So wurden Vertrieb, Technik und Logistik in ein prozessorientiertes Auftragszentrum zusammengefasst und unter eine zentrale Leitung gestellt. Damit wurde der ursprünglich funktionsorientierten Aufbauorganisation erstmals eine funktionsübergreifende, kunden- und prozessorientierte Struktur verliehen, mit positiven Auswirkungen auf die Kostenstruktur. Darüber hinaus wurden die eigenständigen Abteilungen Instandhaltung sowie die Prozesstechnik in die Produktion integriert, sodass das Personal an der laufenden Produktion und damit wertschöpfend mitwirken konnte. Durch das Einrichten einer Beschäftigungsgesellschaft gelang es Insolvenzverwalter den Personalabbau für die Betroffenen abzufedern. Die Sachkosten (Energie, IH, Leasing,…) ließen sich gegenübergegenüber der existierenden Planung noch um weitere 17% senken.
All diese Maßnahmen führten zu einer Reduzierung des Grenzbeschäftigungsgrades. Ein Benchmarking mit einem an der Übernahme interessierten Elektronikhersteller und -bestücker bestätigte, dass sich mit den eingeleiteten Umstrukturierungsmaßnahmen die Kostenproportionen wieder dem richtigen Niveau annäherten. Semecs lag mit seinen Planzahlen für das erste Jahr im Personalkostenbereich nur rd. 2% höher als der potenzielle Käufer. Im zweiten Jahr befand man in der Kostenplanung auf gleichem Niveau. Der kleine Nachholbedarf ergab sich aus den im Rahmen des Redesigns der Organisationsstruktur noch erforderlichen Kosten, die nach Ablauf des ersten Jahres jedoch abgeschlossen sein sollten.
Zeit ist Geld
Im Fall des Leiterplattenbestückers wurde in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung innerhalb von nur 2 Monaten ein kompletter Umbau der für die aktuellen Plandaten überdimensionierten Aufbauorganisation durchgeführt, um die Wertschöpfungskette deutlich zu straffen. Die Schnelligkeit des Umbaus bei Sanierungsfällen ist dabei schon alleine vom Insolvenzverwalter aus Gläubigerschutz gefordert. Aber auch in noch gesunden Unternehmen ist konsequentes und schnelles handeln gefragt. Jede Unruhe in einem Unternehmen gefährdet die Motivation von Management und Mitarbeitern nachhaltig, da Umstrukturierungsmaßnahmen hohe Unsicherheiten für alle Beteiligten beinhalten. Vielfach besteht dann die Gefahr, dass einem die wichtigste Mitarbeiter das Unternehmen verlassen. Im Falle Semecs ließen sich alle für die weitere Fortführung des Betriebes Mitarbeiter halten, was nicht zuletzt durch die klare und reflektierte Kommunikationsstrategie und das pragmatische Vorgehen sichergestellt wurde.
Klar definierte Geschäftsvorfälle und sichere Disposition
Im Rahmen der Ermittlung der Plandaten zeigte sich, dass die Geschäftprozesse und Abläufe nicht stabil genug organisiert waren und in der Materialwirtschaft aufgrund mangelhafter Datenqualität die notwendige Transparenz fehlte. Die Daten für die Materialwirtschaft, die bei einem Materialanteil am Endprodukt von >60% den größten Kostenblock eines Leiterplattenbestückers ist, wurde in heterogenen EDV-Systemen gepflegt. Daten mussten aus dem ERP-System exportiert und dann fern ab dieses Systems in aufwendigen Prozeduren mit Datenbank- und Tabellenkalkulationsprogrammen weiterverarbeitet werden. Durch dieses Vorgehen ergab sich ein hoher Aufwand für die Berechnung der Materialbedarfe, was unweigerlich zur Folge hatte, dass man die dafür notwendigen Zyklen zeitlich streckte. So schob man bei jährlichen Materialkosten von ca. 7,6 Mio. € Bestandwerte von mehr als 1,5 Mio. € vor sich her, was im Verhältnis zu den Durchlaufzeiten beträchtlich war. Um jedoch auf dem Bauelementemarkt, mit z. T. täglich wechselnden Preisen und einem in Bezug auf die Produkte schnellen Alterungsprozess, optimal einzukaufen, sind tagesaktuelle Bestandsanforderungen notwendig. Um dies zu ermöglichen, wurde an den Systemschnittstellen sofort eingegriffen., Im Ergebnis führte dies zu einer deutlichen Aufwandsreduzierung für die Materialbedarfsermittlung.
Neben der Optimierung des Bestandsmanagements waren weitere Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität erforderlich. Die Analyse der Abläufe ergab, dass zu viele Geschäftsvorfälle variabel gehandhabt wurden. Gegenwärtig arbeitet das Unternehmen, unterstützt durch Abels & Kemmner, an der Optimierung seiner Geschäftsprozesse. Auch diese Arbeiten tragen die ersten Früchte. So ließ sich die Effizienz der Auftragsabwicklung steigern und das vorhandene ERP-System nun in seinen Funktionen besser ausnutzen.
Innerhalb von 2,5 Monaten konnten die Rohmaterialbestände um ca. 13%, die Bestände an Fertigprodukten um ca. 20% und die der Halbfabrikate um sogar 48% gesenkt werden.
Erfolgreicher Neubeginn
Innerhalb von 2 Monaten haben die am Sanierungsprojekt beteiligten Partner die wichtigsten Anpassungen vorgenommen und die Weichen für die Zukunft gestellt. In Gesprächen mit institutionellen und industriellen potenziellen Investoren zeigte sich schnell, dass der Geschäftsplan tragfähig war und die Erfolgsaussichten des neustrukturierten, auf seine Kernkompetenzen konzentrierten und von unnötigen Ressourcen entlasteten Unternehmens positiv beschieden wurden. Mit der Neways Electronics International N.V., konnte ein Investor gefunden werden, der für das Unternehmen und seine Mitarbeiter die zukunftsfähigste Lösung darstellte, denn Neways hat eine gute Marktposition und bringt zusätzliche Aufträge in das Unternehmen ein. Das Ziel des neuen Eigentümers, mit dem Kauf von Semecs Neunkirchen den Zugang zum deutschen Elektronikmarkt zui verbessern, versprach darüber hinaus eine exponierte Stellung innerhalb der Unternehmensgruppe. Das Unternehmen ging mit 49 Mitarbeitern und damit weniger als der Hälfte seines alten Mitarbeiterstamms an den erfolgversprechenden Neustart. Auf der Basis der konservativen investorenneutralen Planung mit einer “schwarzen Nullsind die Voraussetzungen gegeben, um sich positiv zu entwickeln.
Solide Planung findet immer Invesoren
Das Ergebnis der Reorganisation hat gezeigt, dass Unternehmen in Krisensituationen und selbst insolvente Unternehmen Überlebenschancen haben und neue Investoren finden können. Vorausgesetzt, die Randbedingungen des Unternehmens (Markt, Lieferanten, Kunden, Wertschöpfungskette, Managementsystem) stehen dafür und es wird konsequent gehandelt und seriös geplant. Zur Ermittlung der realen Unternehmenssituation und seiner tatsächlichen Zukunftsfähigkeit gehört mehr als nur die Analyse der Vergangenheitszahlen durch die Brille eines Wirtschaftsprüfers. Neben den finanziellen und bilanztechnischen Restriktionen hängt die Zukunftsperspektive eines Unternehmens ebenso von dem Marktpotential und von dem technischen und organisatorischen Potenzial des Unternehmens ab. Ein Geschäftsplan muss deshalb “bottom up” vom Markt ausgehend über die zur Leistungserbringung benötigten Ressourcen und Infrastrukturen erstellt und darf nicht nur “top down” geprüft werden. Unrichtigkeiten und Fehler nur auf der Basis von Stichproben oder Plausibilitätsanalysen zu prüfen, genügt nicht. Auf der Basis einer soliden bottom up-Planung tun sich die Banken auch weniger schwer, dem Mittelstand die benötigten Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Unternehmen bei der Gestaltung solcher Unternehmenspläne zu begleiten ist in Restrukturierungsprojekten oftmals unsere Aufgabe. Abels & Kemmner arbeitet hierbei als objektiver und neutraler Mittler der jeweiligen Verhandlungspartner, seien es Insolvenzverwalter oder liquiditätssuchende Unternehmen. Nur so lässt sich das Vertrauen aller beteiligten Parteien erwerben, das man benötigt, um erfolgreiche Lösungen zu erarbeiten und nur so nutzt man den Parteien, da langfristig ohnehin nur ein belastbarer Geschäftsplan erfolgreich ist. Schützen Sie sich also vor allzu euphorischen bzw. nicht belastbaren Planungen.
Über Abels & Kemmner
Die Abels & Kemmner GmbH wurde 1993 von den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaftlern Dr. Helmut Abels und Dr. Götz-Andreas Kemmner gegründet.
Einen Schwerpunkt des Unternehmens stellt die Straffung von Wertschöpfungsketten (Supply-Chain-Optimierung) bei Serien- und Variantenfertigern sowie Großhandelsunternehmen dar. Wir beschäftigen uns hierbei mit der Auslegung und Optimierung von Auftragsabwicklung und Logistik von den Lieferanten bis zu den Kunden und von der Artikelsortimentierung bis zur IT-Unterstützung. Bereits zweimal gewannen Supply Chain Konzepte, die wir mit unseren Kunden erarbeitet haben, Best Practice Preise.
Den zweiten Schwerpunkt bilden Restrukturierungs- und Ertragssteigerungsprojekte. Hier erarbeiten wir Fortführungsprognosen sowie Restrukturierungs- und Downsizing-Konzepte und setzen diese in den Unternehmen um. Durch erfolgreiche Sanierungen mittelständischer Unternehmen machten wir uns einen Namen im Krisen- und Turnaround-Management. In den letzten Jahren waren wir an der Sanierung eines Großteil der größeren Unternehmensinsolvenzen im Saarland beteiligt.
Aufsehen erregte A&K 1997 mit der Gründung des ersten Virtuellen Unternehmens aus sechs mittelständischen Unternehmen der Automobilzulieferbranche.