Dezentrale Projektabwicklung via Internet steuern

Act local and serve information global

von Edvard Rückert, Götz-Andreas Kemmner, Martin Jürgens

Der Trend in der Automobilindustrie steht unter dem Motto “Kürzere Produktlebenszyklen und schnellere Time-to-Market”. Um diese stetig steigenden Herausforderungen bewältigen zu können, setzen die vielfach mittelständisch strukturierten Zulieferunternehmen alles daran, die Zusammenarbeit in der vertikalen Lieferantenkette zu synchronisieren. Mit konventionellen Mitteln ist dies jedoch äußerst mühselig. Das Internet eröffnet jetzt die Chance, durch zentrale Datenhaltung das dezentrale Projektmanagement zu vereinfachen. In einem gemeinsamen Projekt von sechs Automobilzulieferunternehmen wird hierzu eine Internet-Kooperationsplattform namens Kopl@ entwickelt. Kopl@ soll die Zusammenarbeit der Entwicklungsmitarbeiter der 6 beteiligten Unternehmen zentral strukturieren.

Ähnlich wie vielen Zulieferunternehmen geht das Unternehmen WITTE aus Velbert den Weg, mit ausgewählten Zulieferern bei der Entwicklung und der Herstellung neuer Produkte in Form eines Netzwerkes eng zusammenzuarbeiten. Für jeden Auftrag formiert sich eine bedarfsgerecht zusammengestellte Gruppe von Unternehmen und Mitarbeitern, um für eine gegebene Aufgabenstellung die besten Qualifikationen zu vereinen. Ist ein gemeinsamer Auftrag akquiriert, müssen sich die verantwortlichen Mitarbeiter der jeweiligen Unternehmen an einen Tisch setzen und den Job gemeinsam meistern. Leider sitzen sie jedoch nicht auf dem gleichen Flur oder im gleichen Gebäude, nein, sie sitzen im speziellen Fall hunderte Kilometer auseinander. Folglich müssen sie sich ein ausgeklügeltes Projektmanagement überlegen, um den erzielten Vorteil der Zusammenarbeit nicht durch Reisezeiten und Terminkoordinationsprobleme zunichte zu machen.

Deshalb muss das Projektmanagement über die Unternehmensgrenzen hinweg zentral steuerbar sein. Das unternehmensübergreifende Projektmanagement praktiziert WITTE-Velbert mit den Zulieferunternehmen C.W. Hanebeck (Iserlohn), Gebr. Wasserloos (Velbert), Lahme (Kierspe), Paragon (Delbrück) und Schrimpf & Schöneberg (Hohenlimburg) bereits seit 1997 erfolgreich; und seit Juli 1999 arbeiten die sechs Unternehmen im Rahmen der VIA-Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen an einem web-basierten zentralen Kommunikationssystem, auf das alle Beteiligten Zugriff haben sollen. Das Projekt unter dem Codenamen Kopl@ [Kopla] dient dem Austausch und der Ablage von Daten und Informationen, der Strukturierung von Entwicklungsabläufen, der Verteilung von Projektaufgaben und der Überwachung des Projektfortschritts.
In der Vergangenheit führten zum Teil fehlende oder inkonsistente Informationen (welches ist denn die aktuelle Version des Protokolls?) dazu, dass der Koordinations- und Reisezeitbedarf sowie die Kosten für Änderungen zu explodieren drohten: Die bislang praktizierte Verteilung von digitalen und gedruckten Daten führte nicht zur gewünschten Transparenz. Es bestand das Problem der zeitnahen Pflege der Daten, deren Aufbereitung auch noch doppelt und dreifach bzw. im konkreten Fall bis zu sechs Mal erfolgen musste, was die Projektmitarbeiter zunehmend mit dem Management von Informationen belastete. Vertrieb und Projektingenieure, oft tagelang vor Ort bei den Kunden, konnten sich darüber hinaus nur telefonisch über den aktuellen Stand einzelner Projekte informieren. Die Führungskräfte von WITTE-Velbert und der beteiligten Zulieferunternehmen konnten sich nur durch Projektstatusberichte und persönliche Gespräche über die aktuelle Situation in den einzelnen Projekten informieren.

Das World Wide Office 

Kopl@ soll deshalb an der Projektfront für Entspannung sorgen. Sie soll ein gemeinsames virtuelles Büro darstellen, in dem alle Projektmitarbeiter zusammenarbeiten können, egal wo auf der Welt sie sitzen. In diesem gemeinsamen Büro befinden sich alle Projektdokumente und sonstigen Informationen. Die Mitarbeiter werden bei der Suche nach Informationen von einem Suchsystem gezielt unterstützt, das einen laufenden Volltextindex erstellt und im Dialog komplexe Suchabfragen ausführen kann.

Wiederkehrende Organisationsabläufe werden in vordefinierten “Workflows” hinterlegt, die Anwender werden automatisch über sie betreffende neue oder geänderte Informationen und Dokumente informiert. Abwicklung und Transparenz eines Projektes werden durch eine gemeinsame Aufgabenverwaltung und bei Bedarf auch durch eine gemeinsame Terminkoordination unterstützt.

Sofern es sich um Produktentstehungsprojekte handelt, wird der Produktentstehungsprozess durch Projektphasen mit Gate-Reviews und Tracking-Dokumenten strukturiert und kanalisiert. Somit bleiben die Projektaktivitäten nicht nur für die Projektbearbeiter und den Projektleiter transparent, sondern auch für Mitglieder eines erweiterten Projektteams, den Vertrieb und die Geschäftsleitung. Die Häufigkeit persönlicher Treffen kann reduziert werden und alle Betroffenen sind auf dem gleichen Informationsstand.

Um dieses umfangreiche Leistungsspektrum abzudecken, setzt die mit der Konzeption und Umsetzung beauftrage Unternehmensberatung Abels & Kemmner auf dem e-Management-Tool Livelink® von Opentext auf, erweitert dieses um spezifische Module und konfiguriert das System zu einem “Managementsystem für Virtuelle Unternehmen”. Entsprechend der Struktur von Livelink bewegt sich der Benutzer von Kopl@ in drei Arbeitsbereichen. Im persönlichen Arbeitsbereich können Informationen hinterlegt werden, auf die nur der Anwender selbst Zugriff hat. In Projektbereichen (Abb. 1) arbeiten die Projektteams zusammen, während der Unternehmensarbeitsbereich als Forum und Informationsquelle für alle Kopl@-Anwender zur Verfügung steht. In den drei Arbeitsbereichen wird mit den in Abb. 2 aufgeführten Objekten gearbeitet.

Abbildung 1: Beispiele für Objekte in Kopl@
Abbildung 1: Beispiele für Objekte in Kopl@

Da in der Produktentwicklung die Vertraulichkeit von Daten und Informationen wichtig ist, bietet Kopl@ ein ausgefeiltes Berechtigungssystem. Benutzern können in Abhängigkeit von ihrer Gruppenzugehörigkeit und ihrer Rolle in Projekten unterschiedliche Zugriffsrechte eingeräumt werden, darüber hinaus können für jedes Objekt individuelle Zugriffsrechte festgelegt werden.

Schon jetzt ist zu erkennen, dass die Arbeit mit Kopl@ den Anwendern Mühe und Zeit ersparen wird, da Informationen einfacher und schneller beschafft werden können und Aufgaben seltener auf den eigenen Tisch zurückwandern, um nachbearbeitet oder geändert zu werden (Abb. 3). Aus dem Blickwinkel des Unternehmens verbessert sich darüber hinaus die Entwicklungseffizienz, Entwicklungszeiten werden verkürzt und Entwicklungskosten verringert.

Abbildung 2:Vorteile des Einsatzes einer Kooperationsplattform
Abbildung 2:Vorteile des Einsatzes einer Kooperationsplattform

Darüber hinaus erhofft man sich, mit zunehmender Nutzerzahl und Projektabwicklung mittels Kopl@, die Wissensbasis zu steigern, auf die unternehmensintern und unternehmensübergreifend zurückgegriffen werden kann. Da Wert, Erfolg und Überlebensfähigkeit eines Unternehmens immer mehr von dem in einem Unternehmen verfügbaren Wissen bestimmt werden, ist deshalb für VIA der Einsatz einer Kooperationsplattform wie Kopl@ von strategischer Bedeutung. 

Summary 

Controlling decentralised project development via the Internet. The trend in the automobile industry is “Shorter product life cycles and faster time-to-market”. The cope with this constantly rising challenge the largely medium-sized and small enterprises are doing everything they can to synchronise cooperation in the vertical supply chain. The Internet opens up the opportunity to simplify decentralised project-management by way of central data retention. In a joint project by six automobile component suppliers an Internet cooperation platform has been developed, named Kopl@, which is intended to structure the cooperation of development staff of the companies involved centrally.


Autoren:
Edvard Rückert ist Geschäftsführer der WITTE-Velbert GmbH & Co. KG
Dr. Götz-Andreas Kemmner ist Geschäftsführer der Unternehmensberatung    Abels & Kemmner GmbH, Herzogenrath /Aachen
Martin Jürgens ist Consultant und Mitarbeiter der Collaborative Commerce Group im gleichen Unternehmen
Picture of Prof. Dr. Andreas Kemmner

Prof. Dr. Andreas Kemmner