Künstliche Intelligenz, echte Fehler – warum auch KI-Prognosen nicht alles vorhersagen können

Künstliche Intelligenz, echte Fehler – warum auch KI-Prognosen nicht alles vorhersagen können

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit – wenn KI zur Prognose-Hoffnung wird

Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie für die Absatzprognose der Zukunft. In Whitepapers, Webinaren und unzähligen LinkedIn-Posts wird sie als der Gamechanger im Supply Chain Management schlechthin gehandelt: präzise, lernfähig, skalierbar. Wer könnte da widerstehen?

Herr Schneider ist Leiter Demand Management in einem mittelständischen Industrieunternehmen. Seit Monaten beschäftigt er sich intensiv mit den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz in der Absatzplanung. Auf LinkedIn, in Webinaren und Fachartikeln liest und hört er von beeindruckenden Erfolgen – die Rede ist von selbstlernenden Prognosemodellen, die zuverlässig Trends erkennen, Schwankungen ausgleichen und selbst für komplexe Artikel stabile Forecasts liefern sollen.

Und tatsächlich: Die klassische statistische Prognose stößt im Alltag oft an ihre Grenzen. Vor allem bei den „Problemkindern“ im Sortiment – Artikeln mit sporadischem Verbrauch, stark schwankender Nachfrage oder abrupten Strukturbrüchen. Etwa wenn ein Konkurrenzprodukt plötzlich vom Markt verschwindet oder ein Kunde von heute auf morgen sein Bestellverhalten ändert.

Die Hoffnung liegt auf KI-Prognosen: Können sie endlich dort Abhilfe schaffen, wo statistische Methoden unzuverlässige Prognosen liefern?

Doch genau hier beginnt die eigentliche Geschichte. Denn auch moderne KI-Prognosen haben Grenzen – nicht, weil sie „schlecht“ sind, sondern weil sie auf Daten basieren, und Daten allein nie die ganze Wahrheit sagen. Wer das versteht, kann die Potenziale von KI-Prognosen viel besser einschätzen – und nutzen.

In diesem Beitrag zeigen wir, wo KI-Prognosen an ihre Grenzen stoßen, warum das ganz normal ist – und was Sie tun können, um trotzdem bessere Prognosen zu erhalten – mit der richtigen Mischung aus klassischer Absatzplanung, statistischen Verfahren und KI-basierten Prognosemodellen:

  • Was sind die typischen Stolpersteine bei KI-Prognosen?
  • Welche Herausforderungen sind hausgemacht – und welche systembedingt?
  • Und wie lassen sich Schwächen ausgleichen, statt sie zu verdrängen?

Am Ende wissen Sie, warum KI nicht alles kann – aber dort, wo sie richtig eingesetzt wird, ein echter Gewinn sein kann.

KI ist kein Orakel

Künstliche Intelligenz verspricht viel – und wird oft mit noch mehr Erwartungen überfrachtet. Gerade im Supply Chain Management heißt es häufig: “Endlich präzise Prognosen, endlich automatisiertes Forecasting, endlich weniger Planungsaufwand“. Und es stimmt ja: KI kann vieles. Was aber oft zu kurz kommt, ist ein nüchterner Blick auf die Voraussetzungen – und auf die Grenzen.

In vielen Artikeln, Webinaren und LinkedIn-Posts werden die Erfolge von KI-gestützten Prognosen gefeiert, aber wenig über die Voraussetzungen gesprochen, unter denen diese Erfolge überhaupt möglich sind. Fakt ist: Auch KI kann die Zukunft nicht vorhersagen. Sie erkennt Muster – nicht mehr und nicht weniger. Im internationalen Kontext spricht man in diesem Zusammenhang häufig von Demand Forecasting, also der datenbasierten Bedarfsplanung mit Hilfe intelligenter Verfahren. Und das auch nur, wenn diese Muster irgendwo in den historischen Daten vorhanden sind.

Im Gegensatz zu klassischen statistischen Verfahren können KI-Prognosen aber noch einige weitere Vorteile ausspielen:

  • Sie kann externe Daten einbeziehen, z. B. Wetter, Feiertage, wirtschaftliche Indikatoren.
  • Sie lernt mit jedem neuen Datenpunkt weiter und entwickelt sich dynamisch. Sie optimiert sich also kontinuierlich selbst – was in modernen Forecast-Modellen insbesondere beim Einsatz von Machine Learning ein großer Vorteil sein kann.
  • Sie erkennt komplexere Zusammenhänge, etwa durch Klassifikation nach Produkttyp, ABC-/XYZ-Merkmalen oder anderen Attributen.

Doch auch hier gilt: Nur wenn die Vergangenheit einen verlässlichen Hinweis auf die Zukunft gibt, kann die KI daraus sinnvolle Prognosen ableiten. Ohne eine qualitativ hochwertige, ausreichend große und relevante Datenbasis ist jede KI – so modern sie auch sein mag – letztlich ein Papiertiger.

Ohne Fundament keine Vorhersage: Warum sporadische Artikel ein Problem bleiben

Ein KI-Modell lebt – wie jedes datenbasierte Verfahren – von der Qualität und Quantität seiner Eingangsdaten. Und genau hier zeigt sich in der Praxis eine der größten Problemzonen: viele Unternehmen haben eine Vielzahl von Artikeln im Portfolio, deren Absatzverläufe schlicht zu dünn oder zu unregelmäßig sind, um daraus eine belastbare Prognose abzuleiten.

Ein typisches Beispiel: Ein Artikel, der in den letzten zwölf Monaten nur an zwei oder drei Zeitpunkten überhaupt verkauft wurde. Vielleicht, weil er nur bei Bedarf bestellt wird. Vielleicht, weil er eine sehr spezifische Anwendung hat. Für Menschen ist dieses Verhalten einigermaßen plausibel erklärbar – für ein KI-Modell jedoch bleibt es ein Rätsel.

Die Herausforderung dabei: Ein Modell kann nur lernen, wenn es eine gewisse Regelmäßigkeit oder wenigstens statistisch verwertbare Muster erkennt; und vor allem genug Datenpunkte hat. Doch in Fällen wie diesen ist die Datenlage schlicht zu dünn. Und das gilt nicht nur für KI – auch klassische statistische Prognoseverfahren wie exponentielle Glättung oder gleitende Durchschnitte scheitern hier. Durch die Nutzung von externen Faktoren wie Wirtschaftsindikatoren oder das Hinzufügen von Merkmalen (“Features”) als weitere Dateninputs mag die KI früher in der Lage sein, einigermaßen brauchbare Prognosen zu liefern, vielleicht schon bei sechs Monaten Verbrauch in den letzten 12 Monaten statt erst bei acht, aber irgendwann ist auch für die KI Schluss mit lustig.

Was häufig übersehen wird: KI ist keine Wundermaschine, die mit magischer Intelligenz die Lücken füllt. Sie ist keine Fee am Wegrand, die mit ihrem Zauberstab auf magische Weise Datenlücken füllen kann. Wer zu wenig oder zu inkonsistente Daten einspeist, bekommt auch mit dem besten Algorithmus keine verlässlichen Ergebnisse. Der Glaube, dass „KI das schon richten wird“, ist ein Trugschluss – zumindest dann, wenn das nötige Datenfutter fehlt.

Wenn der Verbrauch kein Muster kennt – und der Algorithmus keine Chance hat

Manche Artikel verhalten sich wie wilde Pferde: Sie lassen sich einfach nicht zähmen – weder durch klassische Prognosemethoden noch durch moderne KI. Ihre Verbräuche schwanken scheinbar willkürlich, die Nachfragemuster sind unklar, die Einflussfaktoren diffus.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Artikel, der im ersten Quartal kaum nachgefragt wird, dann plötzlich im Juni einen Peak erlebt, im Juli wieder abfällt – und im Oktober unerwartet nochmal durchstartet. Ohne externe Anhaltspunkte, wie z. B. eine Sonderaktion, ein Großauftrag oder ein saisonaler Effekt, bleibt diese Dynamik für das Modell ein Rätsel.

Noch kritischer wird es bei Strukturbrüchen: Ein Konkurrenzprodukt fällt plötzlich vom Markt, ein neuer Kunde ordert regelmäßig größere Mengen, oder ein Lieferantwechsel verändert das Bestellverhalten. All das sind Veränderungen, die sich weder in der Historie ankündigen noch vom Algorithmus vorab „gelernt“ werden können.

Hier zeigt sich eine zentrale Schwäche datengetriebener Systeme: Sie sind auf Muster angewiesen, die sich in der Vergangenheit manifestiert haben. Wenn sich das Systemumfeld jedoch abrupt verändert, fehlt die Grundlage.

Die Konsequenz: Auch das beste KI-Modell kann solche Brüche nicht zuverlässig antizipieren. Ohne Kontextinformationen – also ohne die menschliche Fähigkeit, Marktentwicklungen einzuordnen – bleibt die Prognose ein Schuss ins Dunkle.

Wie falsche Parameter und schlechte Datenquellen Prognosen verzerren können

So leistungsfähig KI-Modelle auch sein mögen – sie sind nicht immun gegen schlechte Grundlagen. Ein falsches Setup, fehlerhafte Daten oder ungeeignete Parametrierung führen schnell dazu, dass aus einem vielversprechenden Prognosemodell ein unterdurchschnittlicher Ergebnislieferant wird.

Im Alltag begegnen uns immer wieder typische Fehlerquellen, die in der Praxis viel häufiger vorkommen, als man denkt:

  • Verzerrte historische Daten: Sonderaktionen, Promotions oder Einmal-Ereignisse werden oft nicht korrekt erfasst oder gekennzeichnet. Besonders die Pandemiejahre oder Krisenphasen können die Historie massiv verzerren, ohne dass das Modell dies „weiß“.
  • Unvollständige Datensätze: Fehlende Zeiträume, Absatzkanäle oder Lücken durch Systemumstellungen sind Gift für jedes Prognosemodell – egal ob klassisch oder KI-basiert.
  • Overfitting oder Underfitting: Wird das Modell auf zu viele oder zu wenige, dafür aber sehr spezifische Artikel trainiert, kann es entweder zu feinfühlig (Overfitting) oder zu oberflächlich (Underfitting) reagieren – beides ist für die Praxis wenig hilfreich.
  • Falsch aggregierte Daten: Wenn Prognosen nicht auf Einzelartikel-Ebene (z. B. SKU) erfolgen, sondern auf höher aggregierten Ebenen, gehen wichtige Unterschiede verloren. Ein Klassiker: Auf Produktgruppenebene wirkt alles stabil – auf SKU-Ebene herrscht Chaos. Und dieses Chaos fließt direkt in die Produktion über die Produktionsplanung, die zwangsläufig auf SKU-Ebene geschieht.
  • Ungepflegte Stammdaten: Veraltete Artikelinformationen, insbesonders falsche Kategorien führen zu Fehlern – insbesondere beim sogenannten Feature Engineering, also dem Herausarbeiten relevanter Einflussgrößen.

Was hilft? Ein durchgängiges, strukturiertes Datenqualitätsmanagement. Und vor allem: Die enge Zusammenarbeit zwischen Demand Planning und Stammdatenmanagement. Denn Qualitätssicherung ist keine rein technische Disziplin – sondern gelebte interdisziplinäre Verantwortung.

Warum Erfahrung, Intuition und Marktkenntnis weiterhin zählen

So viel KI auch leisten kann – sie hat (noch) keine Intuition. Sie versteht keine Ironie, kennt keine Marktgerüchte und liest keine Kunden-E-Mails zwischen den Zeilen. Genau das aber macht erfahrene Planerinnen und Planer nach wie vor so wertvoll.

Ein Praxisbeispiel: Ein KI-Modell prognostiziert für einen Artikel einen signifikanten Rückgang, weil in den letzten Monaten kaum Bewegung war. Die Planerin jedoch weiß aus Gesprächen mit dem Vertrieb: Ein neuer Rahmenvertrag steht kurz vor der Unterzeichnung. Die vermeintlich schlechte Absatzprognose wird also bald Makulatur sein – wenn niemand rechtzeitig eingreift.

KI kann viel, aber sie braucht Kontrolle. Sie ist kein Autopilot, sondern ein Co-Pilot: leistungsfähig, schnell, analytisch – aber nicht unfehlbar. Gerade bei Ausreißern, bei einmaligen Marktereignissen oder bei Produkten mit strategischer Bedeutung ist das Zusammenspiel aus Mensch und Maschine entscheidend.

Die besten Forecasts entstehen dort, wo Planungsverantwortliche die KI verstehen, ihre Ergebnisse kritisch reflektieren und gegebenenfalls übersteuern. Denn: Nur wer das System kennt, kann es auch sinnvoll nutzen.

So holen Sie das Beste aus Ihren KI-Prognosen heraus

Der erste Schritt zu stabileren Prognosen liegt darin, Fehlerquellen frühzeitig zu erkennen. Viele Probleme lassen sich vermeiden, wenn man sich regelmäßig Zeit nimmt, die Modelle zu überprüfen, deren Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und bewusst nicht in einen automatisierten Modus zu verfallen. Denn wer Prognosen einfach durchlaufen lässt, ohne sie zu reflektieren, riskiert, falsche Annahmen fortzuschreiben – sei es durch veraltete Daten, unberücksichtigte Ausreißer oder externe Effekte, die im Modell schlicht nicht abgebildet sind.

Auch das Monitoring von KI-Modellen ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, die Maschine zu überwachen – sondern darum, zu verstehen, wie sie tickt. Interpretation wird zur Pflicht, nicht zur Kür.

Und schließlich: Die besten Ergebnisse entstehen immer im Zusammenspiel. Mensch und Maschine ergänzen sich – aber nur, wenn beide ihre Stärken einbringen dürfen.

📌 Mini-Checkliste – 3 Hebel für bessere KI-Prognosen:

  • Datenqualität aktiv sichern:
    Prüfen Sie regelmäßig, ob Ihre Eingangsdaten vollständig, korrekt und konsistent sind. Das betrifft nicht nur Absatzdaten, sondern auch Stammdaten wie Produkttypen, Kundenzuordnungen oder produktspezifische Merkmale wie Lebenszyklusphasen oder ABC-/XYZ-Klassifizierungen.
  • Prognosen regelmäßig challengen:
    Nehmen Sie Prognosen nicht als gegeben hin. Hinterfragen Sie sie. Stimmen sie mit Ihrem Bauchgefühl, mit den Marktrückmeldungen oder mit aktuellen Entwicklungen überein?
  • Fachwissen konsequent integrieren:
    Bringen Sie Wissen über Marktmechanismen, Kundenverhalten oder Sortimentsstrategien aktiv in das Modell-Setup und die Interpretation der Ergebnisse ein. Ohne Kontext bleibt auch die beste KI blind.

Wer diese drei Punkte beherzigt, schafft die Grundlage dafür, dass KI-Prognosen nicht nur technisch spannend, sondern auch praktisch belastbar werden.

Und genau hier schließt sich der Kreis – Zeit für ein Fazit mit Blick nach vorn.

Grenzen kennen, Potenziale nutzen – und mehr erfahren

Herr Schneider blickt heute mit deutlich realistischeren Erwartungen auf das Thema KI-Prognosen. Die Anfangseuphorie ist einer reflektierten Einschätzung gewichen – und genau das hat seine Planungsqualität spürbar verbessert. Er nutzt KI dort, wo sie wirklich besser ist als die klassischen statistischen Verfahren und so echten Mehrwert bringt. Und er verlässt sich auf seine Erfahrung, wenn die Datenlage dünn oder der Markt instabil ist. Statt sich auf die eine perfekte Lösung zu verlassen, setzt er auf eine intelligente Kombination: Menschliches Urteilsvermögen plus algorithmische Analyse, Statistik und KI jeweils wo es am besten passt.

Das Fazit: Wer die Grenzen kennt, kann die Stärken gezielter nutzen. KI ist kein Allheilmittel – aber ein mächtiges Werkzeug, wenn man es richtig einsetzt. Es braucht gutes Datenmaterial, ein tragfähiges Setup und Menschen, die wissen, was sie tun.

Das Fazit: Wer die Grenzen kennt, kann die Stärken gezielter nutzen. KI ist kein Allheilmittel – aber ein mächtiges Werkzeug, wenn man es richtig einsetzt. Es braucht gutes Datenmaterial, ein tragfähiges Setup und Menschen, die wissen, was sie tun.

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Peter Szczensny
Peter Szczensny verfügt über langjährige Erfahrung in Demand Planning und Supply Chain Optimierung in der Pharmaindustrie. Als Vice President Supply Chain Management Europa führte er einen globalen S&OP-Prozess ein. Heute unterstützt er als Principal bei Abels & Kemmner Unternehmen dabei, ihre Planungsprozesse mit KI-gestützten Prognosen zu optimieren.
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Peter Szczensny

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