Bestandsmanagement

Wie man mit Hilfe externer Dienstleister die Lagerdisposition und damit die Bestände optimieren kann, zeigt das Beispiel des Automobilzulieferers Herth + Buss.

Dass Outsourcing und Bestandsmanagement sich ausschließen, beruht auf der Annahme, dass das Bestandsmanagement immer zeit- und ortsnah zu den betrieblichen Schnittstellen der Disposition zu geschehen habe. Diese Grundüberlegung erscheint zunächst richtig: Eine intensive Kommunikation der Disposition mit Vertrieb, Versand, Produktion und Montage, mit der Beschaffung sowie den Kunden und insbesondere den Lieferanten ist notwendig. Deshalb muss das tägliche Bestandsmanagement auch zeit- und ortsnah in das Unternehmen eingebunden sein. Die Aufgabe, das Bestandsmanagement mit optimierten Parametern zu versehen, ist jedoch in vielen Fällen extern besser aufgehoben, denn zum einen ist z.B. die artikelspezifische Optimierung der Prognoseparameter sowie eventueller Saisonfaktoren eine solch komplexe Aufgabe, auf die nicht jeder Disponent angemessen vorbereitet ist. Zum anderen hat erfahrungsgemäß kaum ein Disponent im Tagesgeschäft die Zeit, artikelspezifische Optimierungen für tausende Artikel wiederholt durchzuführen. Aus diesen Gründen macht es Sinn, das strategische Bestandsmanagement einem externen Dienstleister zu übertragen. 

Lager für Kunden und Lieferanten 

Das Heusenstammer Unternehmen Herth + Buss vertreibt Automobilersatzteile in den beiden Produktsortimenten HB Autoelektrik (Ersatzteile im Bereich Autoelektrik) und Nipparts (Verschleißteile für japanische Fahrzeuge). Das Produktspektrum umfasst insgesamt ca. 16.000 Teile. Ein wichtiges Wettbewerbsmerkmal der kundenseitigen Auftragsabwicklung ist, dass Ware, die bis 17:00 Uhr bestellt wird, per Nachtexpress ausgeliefert und am nächsten Tag beim Kunden verfügbar ist. Dem Unternehmen kommt somit in der Versorgungskette eine zentrale Lagerhaltungsfunktion sowohl für den Kunden wie für den Lieferanten zu. Wegen deutlicher Bedarfsschwankungen und langen Wiederbeschaffungszeiten für Waren aus Fernost birgt dies jedoch ein nicht unerhebliches Bestandsrisiko. Aus diesem Grunde entschied man sich zunächst, die Disposition durch einen externen Spezialisten überprüfen und optimieren zu lassen. In einem zweiten Schritt löste man die strategische Disposition vom Tagesgeschäft. Heute werden die strategischen Dispositionsparameter durch den externen Dienstleiter Abels & Kemmner aus Herzogenrath bei Aachen im dreimonatigem Rhythmus auf den neusten Stand gebracht.

Erstmalige Parameteroptimierung

Die Durchführung des ersten Projekts zur Überprüfung und Optimierung der Disposition erfolgte in einem kombinierten Ansatz aus methodischer Artikelstrukturierung und Verfahrensauswahl sowie workshopbasierter Prozessanalyse und -optimierung.

Gemeinsam mit dem Unternehmen wurde hierfür das Artikelspektrum in Artikelklassen nach Umsatzbedeutung (ABC) und Bedarfsverhalten (XYZ) eingeteilt.

Bei der Erhebung der Daten ist die Datenqualität zu prüfen. Besonders wichtig waren demnach umfassende Gespräche über die Dateninterpretation. Was wird z.B. in einem Feld “Wunschliefertermin” tatsächlich eingetragen? Ist dies das vom System eingetragene Tagesdatum oder der vom Kunden tatsächlich gewünschte Liefertermin? Wie ist der “bestätigte Liefertermin” zu interpretieren? Ist er fix oder wird er, wie bei einem Unternehmen festgestellt, im wöchentlichen Net-Change angepasst und fortgeschrieben, was natürlich einen traumhaften Ist-Lieferbereitschaftsgrad unter Berücksichtigung von bestätigten Lieferterminen beschert?

Nach der Dateninterpretation wurden dann unter Berücksichtigung der verfügbaren Funktionalität des Warenwirtschaftssystems geeignete Dispositionsverfahren für die einzelnen Artikelklassen bestimmt und für verschiedene Lieferbereitschaftsgrade die je Artikelklasse erforderlichen Parameterkonstellationen sowie die zu erwartenden Lagerbestände simulativ errechnet. Abschließend legte man sinnvolle Lieferbereitschaftsgrade je Artikelklasse fest und übertrug die sich daraus ergebenden Parameter an das Warenwirtschaftsystem.

Parallel zu dieser mathematisch-analytischen Arbeit wurde in einem Projektteam der Prozess der Bestellabwicklung untersucht und der zukünftige organisatorische Ablauf und Hilfsmitteleinsatz gestaltet. Darüber hinaus wurden die erarbeiteten Analyseergebnisse regelmäßig dem Projektteam vorgestellt und Artikelbesonderheiten sowie mögliche Verfahrensvarianten diskutiert. Die Schulung der Disponenten in den relevanten Verfahren bildete den Abschluss in der ersten Projektphase.

Regelmäßige externe Kontrolle

Da den Disponenten von Herth + Buss im Tagesgeschäft kaum die Zeit bleibt, artikelspezifische Optimierungen für 16.000 Artikel wiederholt durchzuführen, entschloss man sich, auch diese Aufgabe extern zu vergeben.

Die kontinuierliche Analyse erfolgt derzeit in Quartals-Intervallen. Die historischen Daten des abgelaufenen Quartals werden hierfür aus dem PPS-System SAP/R3 ausgelesen und an Abels & Kemmner per Datenträger übergeben. Die erforderlichen Dispositionsparameter werden daraufhin nach Artikelgruppen simulativ errechnet. Mit dem Einspeisen der Ergebnisse in das PPS-System ist die strategische Disposition abgeschlossen.

“Die kontinuierliche Justage der Parameter führte zu einer wesentlichen Effizienzsteigerung der Disposition: Innerhalb von sechs Monaten konnte die Bestandsreichweite um ca. 25 Prozent gesenkt und in der Folge gehalten werden. Der Lieferbereitschaftsgrad stieg im gleichen Zeitraum auf 99 Prozent an und führte zu einem Umsatzwachstum von ca. 10 Prozent”, so Holger Drewing, Geschäftsführer bei Herth & Buss. Darüber hinaus werden die im Hause tätigen Disponenten durch das Outsourcing der Parameteroptimierung von komplizierten Berechnungsverfahren befreit und haben somit mehr Zeit, sich dem oftmals hektischen Tagesgeschäft zu widmen.

Warum systematische Artikelanalyse

Ein Artikel, der seinen Lebenszyklus als CZ-Artikel (gering umsatzrelevant, sporadisch) beginnt, entwickelt sich evtl. weiter zu einem BY- oder gar AX-Artikel (mittlere bis hohe Umsatzbedeutung, gleichmäßiger Bedarf), fällt wieder ab, lebt wieder auf und wird irgendwann wieder zu einem CZ-Artikel, wenn sein Lebenszyklus sich dem Ende zuneigt. Es liegt auf der Hand, dass ein AX-Artikel anders geplant und disponiert werden muss als ein CZ-Artikel. Daher muss die aktuelle Positionierung aller Artikel permanent über die Artikelstrukturierung ermittelt werden. In der Folge sind die Planungs- und Dispositionsverfahren entsprechend anzupassen.

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Prof. Dr. Andreas Kemmner

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