Spielend leicht ans Ziel

von Götz-Andreas Kemmner

Erfolgreiche Restrukturierungsprojekte erfordern ein hohes Maß an Verhaltensänderung bei den betroffenen Mitarbeitern. Um diesen Wandel herbeizuführen, können Unternehmensplanspiele ein nützliches Hilfsmittel sein, wie diese Fallstudie zeigt.

In einem Industrieunternehmen stand die Restrukturierung der Produktionsplanung und -steuerung an. Der Lieferbereitschaftsgrad sollte verbessert, die Bestände gesenkt und die Durchlaufzeiten verkürzt werden. Zum Start des Projekts wurde ein logistisches Unternehmensplanspiel eingesetzt, um verschiedene Alternativen in den Prozessabläufen durchzuspielen und die Ergebnisse zu analysieren und zu bewerten. Darüber hinaus wünschte sich die Unternehmensleitung gleich zum Start des Projekts ein Bewusstsein und eine Offenheit für die dringende Notwendigkeit von Änderungen in den Abläufen herbeizuführen.

In Runde eins steht der heute in Unternehmen anzutreffende Ablauf auf dem Spielplan: Es kommt zu Engpässen in der Produktion, da die Fertigungsbereiche kapazitiv rächt aufeinander abgestimmt sind. Außerdem treten Qualitätsprobleme auf. Am Ende der Runde erhält kein Kunde seine Ware zur gewünschten Zeit.

In der nächsten Runde werden die Kapazitäten zwischen den Fertigungsbereichen zum Ausgleich gebracht. Ferner steht die Einführung einer prozessbegleitenden Qualitätskontrolle an. Weil die Kunden eine Belieferung im festen Rhythmus verlangen, werden die Fertigungsaufträge diesem Rhythmus entsprechend eingelastet. Die Analyse der zweiten Runde bringt bereits erste Verbesserungen. So ließ sich der Produktionsausstoß um 63% erhöhen und die Fertigungsqualität um 43% verbessern.

Obwohl die Einlastung der Fertigungsaufträge ins System jetzt zeitlich gemäß der Marktnachfrage erfolgt, wird jedoch nur ein Lieferbereitschaftsgrad von 20% erreicht. Außerdem sind die Bestände nur geringfügig niedriger und die Durchlaufzeit noch inakzeptabel. Die Diskussion setzt ein- Warum fertigt rächt ein Mitarbeiter jeweils das komplette Produkt? Lassen sich nicht Fertigungsbereiche zusammenlegen? Warum entstehen Bestände vor den Arbeitsplätzen, obwohl die Arbeitsinhalte ausgeglichen und die Lieferungen der externen Lieferanten auf die Auftragseinlastung abgestimmt sind?

In der dritten sowie weiteren Runden werden diese und zusätzliche Maßnahmen umgesetzt und getestet. Sukzessiv ließen sich die Kennzahlen verbessern, bis man in der letzten Runde beinahe alle Ziele erreichte: Liefertreue 97%, Fertigungsqualität 88% (noch recht ausreichend), Bestandsreduzierung 54%, Durchlaufzeitverringerung je Produkt von 13,6 auf 2,9 Minuten (-78%).

Trial & Error im Planspiel
Trial & Error im Planspiel

Die Ergebnisse (Tabelle) zeigen, dass der Einsatz des Planspiels erfolgreich war. Aber auch als Hilfsinstrument bei Veränderungsprozessen können Planspiele nützliche Dienste leisten. Gegenwärtig entwickelt die Unternehmensberatung Abels & Kemmner in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Köln und dem Institut für Produktionstechnik und -organisation (IPO) an der FH Köln ein Planspiel, das in einem “Produktionsunternehmen für handlungsorientiertes Lernen” durchgeführt wird.

Der Nutzen im konkreten Projekt

Spielerisch haben die Teilnehmer die Zusammenhänge und Wirkungsweise ihrer eigenen Entscheidungen schnell und einprägsam erlebt. In jeder neuen Spielrunde hatten sie eine andere Zuständigkeit. Das Verständnis für die Probleme der jeweils anderen Unternehmensbereiche wurde so innerhalb nur einer Spielrunde selbst erfahrbar. Das Umfeld des Unternehmensplanspiels hat die Mitarbeiter spielerisch “gezwungen”, ganzheitlich zu denken. Ferner wurden Aspekte wie die Auswahl, Durchführung und Bewertung von Verbesserungsmaßnahmen, die Analyse von Verbesserungspotenzialen der einzelnen Maßnahmen und die Wissensvermittlung durch diesen Workshop angesprochen und verbessert.

Von seiner Person hängt viel ab

Der erfolgreiche Einsatz eines Planspiels unterliegt vielen Faktoren. Jedoch hält den Schlüssel zum Erfolg eindeutig der Planspielleiter in der Hand. Ein erfahrener Leiter wird immer leistungsmotivierende Lernerfolge erzielen.

Die Situation, dass ein Teilnehmer dem Spielleiter mitteilt, er sei gegen die Gruppenentscheidung gewesen, ist eine bekannte Situation. Sie tritt i. Allg. dann auf, wenn ein oder mehrere Planspieldurchläufe von Erfolglosigkeit geprägt sind. In der realen betriebswirtschaftlichen Situation kommen Probleme vielfach nur langsam zum Vorschein, In der Welt der Unternehmensplanspiele geschieht dies i. d. R. sehr schnell. Eine Fehlentscheidung kann bereits zum Konflikt, verdeckt oder offen, führen.

In solchen Situationen ist der Planspielleiter gefordert. Er muss Teilnehmer wieder in die Gruppe zurückführen, mit dominanten und profilierungsbedürftigen Teilnehmern umgehen können. Dafür ist eine gute Portion Einfühlungsvermögen notwendig sowie die Fähigkeit Konfliktsituationen durch Motivation der Teilnehmer überwinden zu können.

Ferner muss der Planspielleiter das Zahlengerüst des Unternehmensplanspiels zuverlässig beherrschen und in den Bereichen Produktionsorganisation und -logistik ein ausgewiesener Fachmann sein, Von entscheidender Bedeutung für den Lernerfolg der Teilnehmer sind seine Fähigkeit, Wissen und Fachkenntnisse weitergeben zu können. Die Spielteilnehmer müssen betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und Interdependenzen schnell verstehen, leicht erlernen und außerdem ihre Entscheidungen auf einer fundierten betriebswirtschaftlichen Datenbasis treffen können.

Neben der für ein Unternehmen schwierigen Auswahl eines für die spezifische Situation geeigneten Planspiels, ist die Durchführung des selben und damit der Spielleiter entscheidend für den Start in ein erfolgreiches Projektmanagement betrieblicher Restrukturierungsmaßnahmen.

Unternehmensplanspiele können ein nützliches Instrument zur Wissensvermittlung und zur Veränderung des Mitarbeiterverhaltens sein- Insbesondere bei anstehenden Restrukturierungsvorhaben kann ein solches Instrument die Basis für ein erfolgreiches Projektmanagement sein und während der Umsetzungsphase hilfreiche Dienste erweisen. Damit wird die Grundlage für eine nachhaltige und erfolgreiche Veränderung gelegt. Allerdings muss betont werden, dass die eigentliche Arbeit der Restrukturierung in der Detailkonzeption und in der Umsetzung der erarbeiteten Konzepte liegt. Das Planspiel kann “nur” ein Hilfsinstrument, wenn auch ein effizientes, für ein erfolgreiches Projektmanagement sein. Eine Änderung im Denken und Handeln der Mitarbeiter lässt sich i. Allg. schneller, kostengünstiger und nachhaltiger durch das Sammeln eigener Erfahrungen erreichen. Der Unternehmensalltag ist dafür jedoch nicht geeignet. Die Kosten für Fehlentscheidungen, der Zeitaufwand und die Dauer zur Erreichung von Ergebnissen wären um ein Vielfaches höher als das Simulieren verschiedener Situationen in einer “Modellwelt” eines Unternehmensplanspiels. Als Kickoff-Veranstaltung und zur projektbegleitenden Unterstützung sind Unternehmensplanspiele daher ein nützliches Instrument um Motivation, Veränderungsbereitschaft und Verständnis für die Zusammenhänge und Interdependenzen von Prozessänderungen bei den Mitarbeitern zu erreichen.

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Prof. Dr. Andreas Kemmner

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