Optimierung des Produktportfolios bei Kronenbrot

von Dr. Götz-Andreas Kemmner

Hohe Produkt- und Variantenvielfalt bestimmen das Geschäft in der deutschen Backwarenindustrie. Damit dieser hohe Grad an Kundenorientierung letztlich nicht die Erträge auffrisst, gilt es, das Produktportfolio regelmäßig zu analysieren und zu optimieren.

Was 1865 mit einer kleinen Landbäckerei begann, entwickelte sich zu einer der modernsten Großbäckereien, die in Würselen/Aachen, Köln und Witten Backwaren für die Region Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Belgien und die Niederlande backt. Kronenbrot ist heute führender Anbieter für Brot- und Backwaren im nordrhein-westfälischen Lebensmittelhandel. Rund 3.000 Handelspartner – Lebensmittelhändler und Großverbraucher – werden täglich mit frischen Backwaren beliefert.

Kronenbrot ist für seine laufende Innovation im Backwarensortiment am Markt bekannt. Neben Brot, Toast und Brötchen, Kuchen, Teilchen und Stollen gehören auch europäische Spezialitäten wie italienische Ciabatta und Ciabatta-Brötchen, türkisches Fladenbrot, französisches Baguette, Baguette-Brötchen, Brioche und Croissant zum Kronenbrot-Sortiment.

Kronenbrot verzichtet als eine der ersten Bäckereien bereits seit mehr als einem Jahrzehnt auf die Verwendung von Konservierungsstoffen. Dies ist nur möglich, wenn die Lebensmittelgeschäfte in den frühen Morgenstunden mit ofenfrischem Brot direkt aus dem Backofen beliefert werden und das Brot nicht über weite Strecken transportiert werden muss.

Ein Fertigwarenlager, das in logistischer Hinsicht die schwankende Marktnachfrage gegenüber der Produktion abfedert, ist für Kronenbrot nicht realisierbar, denn die Ware von gestern ist heute nicht mehr zu verkaufen. Vielmehr muss täglich ein Sortiment von ca. 600 Artikeln synchron zur Marktnachfrage produziert und gebacken werden. Liefer- und Produktionslosgrößen entsprechen dabei teilweise nur noch Kleinstmengen, deren Produktion mit der Vorstellung einer “Groß”bäckerei wenig zu tun hat, wie folgende Zahlen zeigen:

So wie bei den meisten Unternehmen üblich, zeigte sich, dass auch im Werk Würselen mit 20 % der Artikel (gutplanbare AB-XY-Artikel) rund 80 % der Umsätze erwirtschaftet werden, jedoch stehen dieser Gruppe eine Gruppe von über 25% der Artikel (nicht prognostizierbare CZ2-Artikel) gegenüber, die zusammen weniger als 5 % des Umsatzes erwirtschaften. Eine solch große Variantenvielfalt bei geringen Losgrößen erhöht die mit der Handhabung der Kleinmengen verbundenen Prozesskosten und birgt die Gefahr, dass bestimmte Artikel nicht mehr wirtschaftlich gefertigt werden können.

Im Rahmen eines Projektes zur Potenzialanalyse des Werkes Würselen, mit dem die Kronenbrot KG Abels & Kemmner beauftragte, wurde deshalb das Produkt-Portfolio einer kritischen Prüfung unterzogen. Ziel dieses Projektschrittes war es, das aktuelle Produktsortiment unter betriebswirtschaftlichen wie vertrieblichen Aspekten zu straffen.

Aus logistischer Sicht sollte man Variantenvielfalt vermeiden, wo immer es möglich ist. Wenn sie bereits vorhanden, gilt es deshalb zunächst zu prüfen, ob und wie man sie abbauen kann. Um hier an der richtigen Stelle anzusetzen, analysiert man am Besten die Deckungsbeiträge der Artikel, sowohl nach absoluten Werten wie nach Stückdeckungsbeiträgen. Je nach vertrieblichen Möglichkeiten sollten dabei Artikel mit negativen Deckungsbeiträgen

  • in ihren Deckungsbeiträgen verbessert werden,
  • gestrichen werden,
  • auslaufen,
  • durch deckungsbeitragsstärkere Ersatzprodukte ersetzt werden oder
  • fremd beschafft werden,

denn bei diesen Artikeln legt man bei jedem produzierten Stück noch Geld dazu.

Grundsätzliche Ausgangssituation für den Aufbau eines Variantenmanagements

Einen wichtigen Einfluss auf die Frage, welcher Handlungsalternative der Vorzug zu geben ist, hat dabei die Nachfragestruktur der Artikel. Artikel, deren Nachfrage schlecht prognostiziert werden kann, bereiten speziell im Hinblick auf die fehlende Lagermöglichkeit zur Pufferung von Nachfrage besondere Probleme. In diesen Fällen ist also eine Ablösung des Artikels sinnvoller als seine Kostenoptimierung. Negative Deckungsbeiträge finden sich jedoch nicht nur unter den Artikeln mit schlechter Prognostizierbarkeit, was auch die Analyse bei Kronenbrot bestätigte.

Neben der Ablösung von Artikeln mit negativem Deckungsbeitrag bei schlechter Prognostizierbarkeit sind insbesondere die Artikel zu betrachten, die umsatzstark sind, jedoch ebenfalls einen – zumeist geringen – negativen Deckungsbeiträgen pro Stück erwirtschaften. Hier sind die Handlungsalternativen jedoch eingeschränkter. Produkte dieser Art können nur

  • in ihren Deckungsbeiträgen verbessert werden,
  • oder durch deckungsbeitragsstärkere Ersatzprodukte ersetzt werden

denn Fremdbeschaffung, Streichung oder das Auslaufen lassen würden zwangsläufig zu großen Einschnitten im Unternehmen führen.

Mit den richtigen Zahlen rechnen

Die Deckungsbeitragsanalyse setzt voraus, dass die Kostenrechnung ausreichend differenziert aufgebaut ist, um richtige Deckungsbeiträge zu berechnen und die Ursachen der negativen Deckungsbeiträge aufzudecken. Nicht selten stößt man allerdings von der Beraterseite auf das Problem, dass Deckungsbeiträge erst richtig errechnet werden müssen. Ähnlich ist es übrigens auch mit den Daten für die ABC-XYZ-Analysen. Auch hierfür muss oftmals die hinreichend differenzierte Datenbasis erst geschaffen werden.

Die Handlungsalternative Ersatzprodukt erfordert bei Kronenbrot nicht zwangsläufig, andere Rezepturen anzuwenden. Zuweilen genügt es, Verpackungen zu vereinheitlichen oder Verpackungsvarianten auf einfachere Weise zu realisieren oder die Anzahl unterschiedlicher Verkaufsgewichte einer Backware zu verringern. Durch Straffung marginaler Varianten kann also für einen Großteil dieser Produkte ein positiver Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden.

Grundsätzliche Ausgangssituation für den Aufbau eines Variantenmanagements

Dort, wo auf Endprodukte bzw. Endproduktvarianten nicht verzichtet werden kann, muss versucht werden, die Artikelvielfalt auf vorgelagerten Fertigungsebenen zu verringern. Stellt man sich die Endprodukte als Blätter vor, so gilt es, aus einem Strauch einen Baum zu formen: Ein Stamm der aus der Erde kommt und sich möglichst spät verzweigt. In technischen Bereichen standardisiert man hierzu Baugruppen. Die aus der Automobilindustrie bekannte “Plattformstrategie” verfolgt genau dieses Ziel, aus wenigen Baugruppen eine große Variantenvielfalt zu fertigen. Bei der Herstellung von Backwaren lässt sich diese Strategie schwerer verfolgen bzw. hat dort, wo sie möglich ist, wie beispielsweise bei Obstplunder, bereits zu großer Variantenvielfalt geführt.

Letztlich muss also die verbleibende Variantenvielfalt mit negativem Deckungsbeitrag in der Produktion weiter optimiert werden. Strategische Hebel sind bei Kronenbrot hierfür z.B. spezielle Backlinien für Kleinmengen, die stets weiter optimiert werden.

Ausblick

Obwohl Backwaren “unser täglich Brot” sind, verändern sich die Kaufgewohnheiten zunehmen und nicht zuletzt führen auch neue Produktideen von Kronenbrot zu verändertem Kaufverhalten. Die Optimierung des Produktportfolios ist also auch für Backwaren eine Aufgabe, die regelmäßig und mindestens jährlich durchgeführt werden sollte, so wie man Bäume jährlich schneidet, damit sie in die richtige Form wachsen. Um die Portfolio-Optimierung zukünftig systematisch durchführen zu können, steht nun an, die erforderliche Datenselektion, -aufbereitung und -verarbeitung stärker zu automatisieren. Gemäß der Kronenbrot-Philosophie, dass ein traditionsreiches Familienunternehmen auch seinen Mitarbeitern gegenüber eine besondere Verantwortung hat, ist die Produktportfolio-Optimierung ein wichtiger Schritt zur Sicherung der Arbeitsplätze im wachsenden Wettbewerb.

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Prof. Dr. Andreas Kemmner

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